Die nagelneue Shimano GRX Di2 und mein Surly Midnight Special

Ein Fahrbericht, ein Plädoyer an den Gravel Gott

Ein 29er Hardtail, ein 650b Fully, ein 29+ Plus Abenteuer Bike, ein 4,8er Fatbike, ein 2,8er Trekkingrad (Pinion) und bis vor  kurzem ein Carbon Renner. 20x über die Alpen, Alaska befahren und in Nepal alte Handelspfade by Bike erkundet, die Trails auf dem Gardasee unsicher gemacht und so manchen groben Schotterstein dabei zermalmt und jüngst die Mongolei erobert. Ganz früher besaß ich sogar ein Bonanza Rad (ja, ja, ich weiß: besaß und dann verkauft, ich Depp) und sogar ein echtes Mini Klapprad. Man könnte also nicht behaupten, dass ich zum Thema Bike nicht eine gewisse Affinität hätte. Und doch bin ich / war ich bis vor kurzem in einer Kategorie ein Newcomer, ein Unwissender – irgendwie. Stichwort: Graveln.

noch "nackt"
Der Rahmen jungfräulich, unschuldig

Wer allerdings „bike affin“ ist und sich umschaut, der stolpert irgendwann zwangsweise über schöne Räder. Und so geschah, was geschehen musste. Ich entdeckte ein Surly Midnight Special. Noch einmal zum mitklingen: Sur-ly Mid-night Spec-ial. Genau so eines. Unschuldig weiß, im Marketing Sprech: Mayonnaise white. Mit braunen Brooks Akzenten in Honey. Na? Wie fühlt sich das an? Lange Rede, kurzer Sinn: Das Surly Midnight Special hatte es mir angetan. Ein klassischer Stahlrahmen. Und nach dem Motto, wenn schon denn schon, musste das Konzept ein wenig abseits des Mainstreams sein, will sagen, wenn schon jungfräulich graveln, dann auch jungfräulich schalten. Womit wir bei der zweiten Premiere in meinem Bike Leben wären: elektronisch schalten war bis dato für mich ein unbeschriebenes (Ketten)Blatt. (Elektronisch fahren sowieso – das dauert noch).

Klangvoll …

Die Hochzeit klassischer Stahlrahmen mit einer GRX Di2 Schaltung war also vorgegeben, sicherlich nicht die logischste Verbindung, aber eine, die es in sich hat. Funktional macht es Sinn. Optisch ist es ein Genuss.

Ergo: wenn schon Premiere, dann richtig: also meldete ich mich an, zum Gravel Fondo Event im Pfälzer Wald. 500 Autobahnkilometer waren mir die Reise wert. Wenn Udo schon zum ersten Male gravelt, dann mit 250 anderen.

Der erste Ausritt.

Die Gravel Fondo Teilnehmer scharren mit den Cleats unter ihren Sohlen. Wir starten.

… to go

Schon die ersten Meter sind eine kleine Offenbarung. Das Surly flieht in den Wald, als ob es kein Halten gäbe. Keine Handkräfte nötig, seidenweich wechseln die Gänge hinauf, hinunter. Die Abstufung meiner 2×11 Kombination (Kurbel RX810 48-31) und die Kassette (11-34) bieten das ganze (Gravel) Spektrum. Es ist die perfekte Hybrid Paarung zwischen MTB und RR. So abwechslungsreich die Gravel Wegführung und die Straßen bwz. Wald-Beläge, so anpassungsfähig die Gangwechsel. Die steilen Pfälzer Rampen werden klaglos genommen, die leicht abschüssigen Abfahrten, zuerst Schotter, dann Asphalt lassen sich mit gutem Schwung durchfahren – ohne das  man auch nur ansatzweise das Gefühl hätte, „haxeln“ zu müssen, wie der Bayer so sagt. Das Surly liegt satt auf Schotter, macht Speed auf Asphalt und ist einerseits „Renner-leicht“ und andererseits aber MTB-robust. Geile Kombi. Es ist der Mix aus geringem Gewicht und etwas dickeren Reifen, die sportive Sitzposition, die auch mal das Abtauchen in den Unterlenker erlaubt, der Vortrieb beim Beschleunigen und die Wendigkeit auf dem Trail (und da gab es im Pfälzer Wald einige epische. Der Knaller). Es macht puren Spaß. Man ertappt sich bei dem Gedanken, wozu man daheim das Hardtail eigentlich noch braucht.

Surly Midnight Special GRX Di2

Will sagen: die Performance im Vortrieb ist perfekt. Die Schalthaptik ein Traum. Es gab Weltenbummler auf diesem Pfälzer Event, die sagten mit voller Brust: „einmal Di2, immer Di2“. Ich glaub, das kann ich jetzt schon unterschreiben.

wertige Optik – perfekte Funktion

Haptik und Optik (auch hier gilt: wunderbar wertig und edel in coolem Understatement Anthrazit) sind also erste Wahl fürs diese meine Gravel Premiere. Aber auch das Thema Sicherheit muss stimmen. Die 160er Scheiben verzögern schon fast auf MTB Niveau, kein quietschen, kein ruckeln, sondern mit sauberem Druckpunkt sehr gut dosierbar, ließen sich auch schwierige Passagen im Wald jederzeit souverän beherrschen. In Kombination mit den speziellen GRX Laufrädern (RX570) liefen meine relativ breiten 27,5er Schwalbe G-One Pneus wie auf Schienen. Verwindungssteif, robust und doch als bewegte Masse nicht wirklich ins Gewicht fallend (ok, ok, bei einem Stahlrahmen kommt es auf ein paar Gramm auch nicht an). Die Schwalbe bis zum heutigen Tag: eine Bank.

Einzig, wenn die Wegführung einmal richtig Mountainbike-technisch sehr ruppig und steinig wird, dann rumpelt es schon ordentlich und man achte auf die Plomben. Da weiß man dann doch wieder die feinen Unterschiede einer funktionierenden Federgabel ggü. einer Starrgabel und die MTB Sitzposition zu schätzen.

Die Komponeten

Was ist verbaut. Das schöne an einem Selbstaufbau ist, dass man die freie Wahl hat. Was der Markt so hergibt.

  • Rahmen Surly Midnight Special, RH58, Mayonaise White
  • Sattel: Selle Italia Storica – honey braun und edel. Sitz perfekt
  • Sattelstütze: Fern, schwarz und gut
  • Lenker: Acros Gravel
  • Lenkerband: Brooks honey
  • Ahead Kappe: Acros, customized
  • Steuersatz: Cane Creek 110
  • Laufräder Shimano GRX RX570
  • Reifen: Schwalbe G-One 650b
  • Antrieb: Shimano GRX Di2
  • Kurbeln: Shimano GRX
  • Klingel: Spurcylce
  • Licht (ab an an): Supernova Airstream & Taillight
  • Rahmentasche (in Arbeit): Gramm Tourpacking
  • Pedale: wie immer CrankbrothersCandy3
  • Satteltasche: Brooks Isle of Wight
  • in Vorbereitung: evtl. Schutzbleche sowie
  • Frontrack: Surly (aktuell von Surly gestoppt, wg. fehlerhafter Befestigung)

Der Ehrlichkeit halber sei erwähnt: die Montage einer GRX Di überlasse ich dem Fachmann. Die Leitungslängen habe ich erfolgreich durch Eigenstudium im Netz erforscht (und treffsicher gewählt) – die Installation jedoch wurde den Spezialisten vom Priener Bike Shop Peter Braito (ehemals Peter Pan) überlassen – damit es wirklich funzt. Kleiner Tipp: man achte auf die richtige Kettenlänge.

Fazit

Ein geiles Gravelbike. Flink und frei. Schnell und schlau. Raus in den Forst, Trailfreuden und Straßenspaß. Asphalt Speed und Gravel Flow machen mit dem Midnight Special (was für ein Name) und der GRX DI2 mächtig Laune.  Das Ding ist wendig, das Ding ist schnell, klettert prima und fährt sich wie ein Golf GTI. Kein Wunder, dass schon jetzt die 1000km Marke geknackt ist. Soviel ist klar: wir bleiben zusammen.

*** © Udo Kewitsch, Nov. 19 ***