Manchmal ist es reines Marketing, manchmal braucht das Kind einfach einen griffigen Namen und schon haben wir einen neuen Trend. Bikepacking. Sicher schon mal gehört. Der kleine aber feine Unterschied zu den bisher bekannten Radtaschenreisen (ihr wisst schon: zwei oder drei Riesen-Säcke hinten auf dem Rack) ist die Bauart: der Bikeapcker verstaut seine (minimalistischen) Habseligkeiten in der Rahmentasche (frame bag) auf dem Oberrohr (TopTubeBag) oder der liebvoll genannten „Arschrakete“ (Saddlebag) oder vorn in der Lenkerrolle. Mischformen sind erlaubt.

Warum diese Einleitung? Weil Bikepacken Spaß macht, man weniger braucht als ihr glaubt und die Freiheit mit dem Verzicht auf unnötigen Ballast umso größer wird. Da muss man einfach immer wieder mal raus. Wir waren neulich auch mal wieder drausssen, lest selbst:

Wohin ging es dieses Mal?

Ein verlängerter Weekendtrip ins Karwendel zur Isarquelle. (wenn ich Euch verrate, dass wir monatelang zuvor den Starttermin 2 Wochen früher gelegt hatten und exakt zu diesem Zeitpunkt das Maximum an Regengüssen aufs bayrische Land herabfiel, dann ist das kein effekthaschender Joke, sondern die reine Wahrheit). Insofern …. wir hatten wohlweislich verschoben.

Die Route ist auf Komoot hier zu finden.

Der neue Start- und Endzeitpunkt war somit mit Petrus abgestimmt. Sonne satt stand im Kalender, Sonne satt sollte es werden. Allein der Verzicht auf die Regenklamotten ist eine Quell der Freude und erinnert prozentual an überdurchschnittlich erfolgreiche Einkaufsverhandlungen. Bad Tölz ist ab Siegsdorf in 90 Kilometern erreicht und von da an folgen wir dem wilden Lauf der Isar stromaufwärts. Vorbei am imposanten Sylvenstein-Stausee wird es spätestens ab der Mautstation Vorderriß nochmal wilder und spektakulärer. Das Flussbett öffnet sich und der Streckenverlauf geht im steten auf und ab, tendenziell aber ansteigend dahin.

Wir nehmen nicht die Mautstraße und den Asphalt, sondern biegen gleich hinter dem Mauthäusl links auf den Schotterweg und sollten reich belohnt werden. Natur pur, Panoramen toll, Glücksmomente, die nix kosten.

Wir haben alles am Mann, was wir brauchen. Vom Kocher, bis zum Zelt, vom Schlafsack bis zur Zahnbürste. Und unser wildes Camp ist jetzt vielleicht nicht im offiziellen ADAC Campingführer enthalten (drum gebe ich auch keine Koordinaten bekannt), aber fünf Sterne hat es allemal. Oder was sagst Du?

Big Agnes, Karwendel

By the way: bikepacking at its best !!!! Nach ruhiger Nacht geht es tagsdrauf zum eigentlichen Ziel.

Der zweite Tag

… sollte uns schon bis zum Isarursprung führen. Wir fahren auf Schotter und müssen gelegentlich das eine oder andere Gatter öffnen und/oder schließen. Nach Scharnitz dann ist die Wegweisung eindeutig. Man bemerkt es auch am zunehmendem Rad- und Wanderverkehr. Alle Radgattungen sind vertreten. Der E-Biker trifft auf Bio Biker, die sich mit dem MTB aber auch nicht so schwer tun, dafür bleibt die Steigung stet moderat. Der Graveler freut sich, alle überholen zu können und gelegentlich kommt uns ein „Karwendel-Taxi“ entgegen, um uns zu zeigen: hier hat der Tourismus das Kommando.

Das (seltene) Taxi hält uns von der Begeisterung aber nicht ab. Erstens bleibt das Wetter auf höchstem Niveau maximal perfekt sonnig und zweitens ist die Landschaft um uns herum einfach nur beeindruckend. Unser Track führt hinauf zur Gleirschklamm und weiter bis zum Isar Ursprung – ein Großteil der Ausflügler macht bereits hier bei den Isarquellen seinen Stopp, wir aber fahren noch ein kleines Stück weiter und landen ein paar hundert Meter später an der idyllisch gelegenen Kastenalm an, die den Blick auf die umliegenden Berge des Karwendels freigibt. Es ist höchste Zeit für eine gute Brotzeit und ein Radler und ein alkoholfreies Weißbier. Was für ein Leben. Prost.

Satt vom Kastenalm Spezialvinschgerl (nur am Wochenende) und vom Rundumblick auf die Berge treten wir zur Mittagszeit den Rückweg an, der kartographisch vielversprechend ist, geht es doch im Grunde die nächsten circa 45 Kilometer und gut 600 Höhenmeter bergab. Niemals spektakuläres Gefälle, ab und an sogar der ein oder andere Gegenanstieg, aber in Summe darf man das gut und gerne als Genussradeln bezeichnen. Also, alles, was wir bislang hinauf geradelt sind, nun auch wieder hinab. Ich mag das. Ein Teil der Strecke wird somit „doppelt“ befahren (die Tour hat die Form zweier übereinander liegenden Kaulquappen) aber ab Krün zweigen wir quasi vom „bekannten“ Weg links ab und halten uns nunmehr Richtung Walchensee. Dort soll, so ein geheimer Insidertipp, ein „toller“ Platz zum zelten sein. Vergesst es.

Der „geheime“ HotSpot ist das Kiter-Mekka der Walchenseer Kiter- und Badefraktion. Zig sportliche und mitunter schöne Menschen bevölkern den kleinen idylischen Strand in der Nähe der Kapelle St. Magareth am Zwergern Spitz. Von wegen „Geheimtipp“. Mitnichten. Obendrein ist man gut beraten Abstand zu nehmen vom Plan „wild camp“. Egal wo: rund um einer der tiefsten und größten Seen (16,4qkm) des Alpengebiets, daraus wird nix. Die Region beschäftigt drei hauptamtliche Ranger, die darauf trainiert sind, genauso solche Konsorten „rauszuziehen“ aus dem Gebüsch :-). Also im Zweifel die Finger oder besser die Zeltheringe davon lassen.

Womit klar war, was wir tun werden. Wir nehmen den tollen Campingplatz am See und sollten einmal mehr Glück haben. Der letzte Zeltplatz ist auch noch in der ersten Reihe. Fünf (= 5!) Meter ins Wasser. Frühstück und Abendessen mit Seeblick. Läuft.

 

Tag3

Das Frühstück war – nachvollziehbar – etwas länger und ausgedehnt. Die Spiegeleier sehr schmackhaft und der Flashback zu den vorangegangenen Tagen nochmals ausführlich und genussvoll. Tolle Tour. Vor uns liegen noch final ebenso genussvolle gut 50 Kilometer. Auf einer Backe machbar. Dachten wir. Bis zur Jachenau geht es herrlich dahin, wenig Verkehr, immer wieder Blicke auf den See, dann zweigt der Track in ein Waldgebiet und wir denken uns „Track ist Track“, also fahren wir auch da lang. Der Weg gewinnt an Höhe, was an und für sich ja nix ungewöhnliches ist, aber mit jedem viertel Kilometer mehr, wird es unwegsamer, und nachdem wir den ersten umgestürzten Baum erfolgreich überquert haben, mäandert der Pfad immer weiter im Nichts. Nur noch Bruchholz und eine insgesamt nicht so glasklare Streckenführung. Wir konsultieren unsere Mobilgeräte. Die sagen ganz klar: umdrehen, Kehrtwende – hilft ja nix. Funny Fact am Rande: ein (genauerer) Blick auf die Karte hätte uns gezeigt: wir waren nur einen „Sprung“ von der „festen“ Straße entfernt. Definiere „Sprung“ :-).  

Egal. Also wieder zurück auf die ST2072 und weiter nach Lengries, einkehren und dann den finalen Schwung nach Bad Tölz mitnehmen.

Fazit

Man kann sagen was man will. Marketing hin, Marketing her. Bikepacking ist geil. Da ändert auch ein Verfahrer im Unterholz nix daran und auch sogenannte Geheimtipps die sich als Hotspot entpuppen, tun der Freude keinen Abbruch. Im Gegenteil, das ist ein Zuwachs an Erfahrung. Der Zuwachs an „Joy“ war ein großer und das ich mit meinem Bro und Bike-Buddy Georg endlich mal nach mehreren Fehlversuchen an den Start kam ist ein ohnehin schon großes Geschenk. Freunde mein Tipp: nachfahren. Is toll dort.

(c) udokah.de, Aug23