Great Divide

Es gibt sie noch. Die sogenannten letzten Abenteuer unserer Zeit. Klar, heutzutage kann man, etwas Kleingeld vorausgesetzt, sogar schon in Richtung Mond fliegen, aber darum geht es nicht. Es geht um „echte“ Abenteuer, also die richtigen. Einmal nachts allein im Wald übernachten, einen Alpencross bestreiten, einen Gipfel bezwingen (oh NEIN: der Mount Everest ist sicher nicht gemeint), einen Marathon laufen, einen (Volks)Triathlon durchhalten, eine Woche im Kloster schweigen, mit der Schwiegermutterin Urlaub fahren, all sowas….  In diese Liste könnte man aber auch die immer populärer werdenden und sogenannten Self Supported Races mit aufnehmen. Als da wären die North4000 (Rovereto – Nordkap) oder das berühmte Silk Road Race und all diese verrückten „Rennen“ die keine Rennen sondern Selbsterfahrungs-Reisen sind. Am Zielort wartet kein Pokal, kein Publikum und auch kein ARD/ZDF … am Zielort wartet die Erlösung auf Dich, deine Muskeln werden sich entspannen und nach all der Pein und Mühsal wird sich das Grinsen in Dein Gesicht schleichen und Du darfst Dir selbst gratulieren. Aber das wars dann auch schon. Darum geht’s …. So auch bei der Tour Divide, der Mutter aller Self Supported Races. Wenn man darüber erzählen will, dann fängt man am besten mit der Tour Divide an – eine der längsten Offroad Radwege der Welt.

Mathias Müller und Markus Weinberg haben sich an dieses Abenteuer gewagt, die Herausforderung angenommen und wollten es wissen. Funny Fact am Rande, beide sind enthusiastische Radfahrer, beide spielen auf dem redaktionellen Klavier auch ihre beruflichen Noten, der eine als Redakteur, der andere als Filmemacher. Drei Eigenschaften ein Ergebnis: Rad fahren, schreiben, filmen = ein Buch, ein Film.

Einmal quer durch die Staaten von Banff bis hin an die mexikanische Grenze – schlappe knapp 4500 Kilometer, über die kontinentale Wasserscheide Amerikas, die Höhenmeter verrate ich mal lieber nicht. Das Buch „The Great Divide“ von Müller/Weinberg berichtet von eben diesem einmaligen Rennen, welches streng genommen kein Rennen, sondern eher eine Selbsterfahrungstrip der besonderen Art ist. Beide Protagonisten schreiben jeweils individuell aus ihrer Sicht, beschreiben die Höhen und Tiefen und lassen auch andere Tourteilnehmer und Kenner der Szene in kleinen Interviews zu Wort kommen. Dem Leser werden Informationen zum Streckenverlauf geboten, aber auch die zahlreichen Emotionen über den Tourverlauf hinweg vermittelt. Man fährt ein stückweit mit ihnen mit, bleibt aber (zumindest bis auf weiteres) im geschützten Raum des eigenen Wohnzimmers, oder wo immer man sich diesen Lesestoff gönnt.

Ein Buch für all jene, die Bike-verrückt genug sind über solche Veranstaltungen nachzudenken, oder einfach froh sind, zumindest passiv daran teilhaben zu können. Markus und Mathias nehmen uns mit auf Ihre Reise – ok, zugegeben, gegen Ende der Story wiederholen sich einige Wendungen und wer einen detaillierten Reiseratgeber mit all den tiefen kulturellen Informationen drum herum erwartet, wird nicht vollumfänglich bedient, aber ich denke, dass ist auch nicht der Anspruch.

Ich bin und war hin- und hergerissen zwischen „bist deppert, nein Danke, nix für mich“ und habe mich dennoch dabei ertappt „oder? Was meinst, wäre das eines der letzten Abenteuer, welches ich mir noch mal zumuten sollte?“. Die finale Antwort auf diese zwei Fragen steht noch aus, aber ich habe eine Tendenz.

Kurzum: guter Fahrradlesestoff. Bikepacking-Basis Lektüre. Ein kleiner Rat- und Ideengeber, auf jeden Fall ein Appetizer, wenngleich ein extrem anspruchsvoller, der nicht auf jeden Teller passt, ins Bücherregal aber allemal.

weitere Buchtipps

 

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