Die Vorzeichen waren denkbar schlecht. Ein Kollege musste verletzungsbedingt absagen, ein Kollege verletzte sich in der Vorwoche, wollte sich aber durchbeißen. Die Wettervorhersage war miserabel und last but not least hatte der Guide zum Projektstart einen historisch niedrigen Trainings-Höhenmeter-Stand. Der Guide war ich.
Die guten Nachrichten vorweg: erstens kam es anders und zweitens konnte kein noch so schlechtes Wetter diese Truppe aufhalten. Die Whatsapp meiner Kollegin Gabi (auf dem Weg zum Gardasee) erreicht mich frühmorgens um 7h: „In Schwaz schüttet es aus Kübeln“ war die Information kurz und knapp. Na bravo. Als wir um 11h unseren vereinbarten Parkplatz ansteuern, wird der Teer allerdings schon langsam wieder grau. Geht doch. Aber der Reihe nach.
Die Ausschreibung in der Firma war auch dieses Mal klar formuliert. Ein kleiner Alpencross sollte es werden, sportlich, aber kurz, fahrbar ohne extreme Hindernisse. Meine 12 Kollegen aus dem 2016er Team hatten Vorrang (siehe auch AlpNr.17). Eh klar. 10 meldeten: ich bin dabei, zwei hatten gute Gründe. 2 weitere waren schnell gefunden und dem Wunsch aus 2016 folgend waren dieses Mal auch Damen „zugelassen“. Zwei mutige meldeten sich. So kam es, dass nicht weniger als 14 Kollegen an den Start gingen. Das ist doch mal ne Nummer, isnt it?
Tag1 – Schwaz – Weidener Hütte – 1350 Höhenmeter
Die Truppe war motiviert bis in die Zehenspitzen, jeder schnürt seinen Rucksack, prüft den Luftdruck und grinst voller Erwartung. Das Ziel für Tag1 war jedem klar: nur eine kurze Distanz von nicht einmal 30 Kilometern aber immerhin 1350 Höhenmetern mussten überbrückt werden. Die Weidener Hütte auf 1800m sollte uns alle am Abend äußerst warmherzig empfangen. Bis dahin ging es jedoch knackig bergan, und auch der Guide musste all seine Körner zusammensuchen. In Ermangelung von weiteren Einkehrmöglichkeiten absolvierten die 14 Alpencrosser ohne größere Pausen den steilen Anstieg – die gelegentlichen Unterbrechungen wurde allesamt fröhlich mit firmeninternen Anekdoten aufgefüllt. Es darf erwähnt werden, dass die „Kübelschütt-Vorhersage“ von Gabi sich dann verflüchtigte und wir bis auf einen 10min Schauer trocken durchs Geläuf kamen. Wobei: Schwitz- und Schweißperlen gab es satt.
Drum war es dann auch völlig in Ordnung, als pünktlich mit dem Betreten der Hütte ordentlicher Regen einsetzt. Alles richtig gemacht. Draußen kachelt es, drinnen isses gemütlich. Die Hüttenwirte Maria & Michael versorgen uns an diesem Abend nahezu festlich und opulent. 3 Gänge und eine tolle Atmosphäre machen unseren Aufenthalt wahrhaft rund. Maria eine Perle und über den gesamten Abend um unser Wohl besorgt. Während draußen mit Wolken und Nebel (und nachlassendem Regen) ein Naturschauspiel für satte Zugaben sorgen, haben wir drinnen den gewohnten Spaß. Eine Truppe versucht sich am Schafkopf, der zweite Tisch holte die guten alten Geschichten aus dem Nähkasterl. Welche das waren wird nicht verraten. Was für ein fantastischer Auftakt.
Tag 2 – Weidener Hütte – Tuxer Joch Haus – 1550 Höhenmeter
Die Prognosen für den Tag2 waren durchwachsen, wenn nicht tendenziell schlecht. Im AlpX Team gab es kundige Wetter-App User, sodass alle 14 Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt auf dem laufenden hinsichtlich Regenwahrscheinlichkeit und -tendenz waren. Der Regenradar wurde ebenso mehrfach umher gezeigt wie auch die jeweiligen Prognosen der unterschiedlichen Anbieter. Maria wusste Rat: „der Michi weiß Bescheid, der kennt hier jede Wolke mit dem Vornamen“. Und tatsächlich: wirklich Klarheit brachte dann der kundige Rat vom Hüttenwirt Michi: „Freunde, startet so früh wie möglich, wenn ihr um 14h am Tuxer Joch Haus trocken ankommen wollt“ – so seine Empfehlung, der von dem ein oder anderen nur widerwillig akzeptiert wurde, bedeutete dies doch um 6h morgens aus den Federn zu steigen. Meine zaghafte Einsprüche, dass man nur ausgeschlafen auch eine gute Leistung abliefern kann, wurde von der Mehrheit weggewischt. So galt: der frühe Crosser entgeht dem Regen, die Pflicht ruft mit dem Morgentau, also saßen alle um 6.30h gekämmt und mehr oder weniger munter am Frühstückstisch, der es an nichts mangeln ließ. Andi und ich gehörten dann eher zu der verschlafenen Fraktion, Christian hatte nächtens den Dachbalken konsultiert und sich seine eigene Schlafkeule verpasst. Aber wach waren wir irgendwie alle.
Start 7.05h – Chapeau. Na, wer sagts denn. Geht doch.
Und wieder zeigte sich die Natur von der besten Seite: dampfende Nebelschwaden und wandernde Wolkenformationen geben den Blick auf eine grandiose Kulisse frei, die Sonne arbeitet sich durch und lässt die Hänge glänzen. Was für ein Schauspiel. Und ich sach noch: frühmorgens ist das eine Wucht, isnt it?
Der erste Anstieg zum Geiseljoch kostet allerdings auch ein paar Körner. Das geht nicht umsonst. Nicht wirklich flach zieht sich die Passage nach oben, der Blick zurück entschädigt. Oben am Gipfelkreuz sammelt sich die Truppe wieder. Ein Kollege wollte nochmal 300 Höhenmeter zusätzlich machen und ließ zu diesem Anlass seine Regenjacke in der Hütte liegen, bemerkte es zu spät und wurde somit bestraft. Allein der tapferen Daniela verdankt er den Transfer seines Rucksacks hinauf zum Joch. Wenn wir unsere Mädels nicht hätten. Hinunter nach Vorderlanersbach kommen wir aber trockenen Fußes und müssen immer wieder einen Fotostopp einlegen. Kollege Erich versuchte dann noch dem Guide eine Umleitung anzulasten, konnte aber keine Mehrheit finden, die auf „schuldig“ plädierte.
Nachdem die ersten 500 Höhenmeter nahezu auf nüchternem Magen absolviert wurden, war die nächste Einkehr im Tal obsolet. Weitere gut 1000 Höhenmeter standen immerhin noch auf dem Programm und die Uhrzeit schritt unerbittlich voran. Um 14h sagte der Michi, kommt ordentlich was runter.
Die Alpencrosser kämpfen sich also in Richtung Tuxer Joch Haus, auf 2320m gelegen. Wir kurbeln, wir schwitzen und hoffen den sich verdichtenden Wolken zu entkommen. Der vom Guide erstellte Track sollte eine (vorher nicht erkennbare) Überraschung hervorbringen: 30-40 Minuten Schiebepassage von der ungemütlichen Sorte über Stock und Stein, steil und sperrig. Das hatte ich in den Jahren zuvor doch auch nicht!? Im guten Glauben, Komoot führt mich so schlau, wie ich dies bei meinem AlpX Nr2 und Nr.6 selbst geplant hatte: Pustekuchen, um die Kuppe drumrum, soweit so schön, doch dann zweigt der Weg auf einen schmalen Pfad und wir dürfen fortan ca 40min mitunter steilst bergan schieben. Während sich der Himmel immer weiter verdüstert, setzt der Regen nun eine halbe Stunde früher als geplant ein – was lernen wir: auch die App kennt die ganze Wahrheit nicht und auch Michi kann sich täuschen. Wir lassen uns nicht aufhalten und kämpfen uns den Berg hinauf. Die letzte Rampe (mittlerweile sind wir wieder auf der mir bekannten Route) bäumt sich nochmal mächtig auf. Gefühlt größer 18-20%. Kein Spaß.
Pünktlich um 14h erreichen wir, leicht nass, das Tuxer Joch Haus, welches einem Vergleich mit der Weidener Hütte nicht standhält. Die Betten knarzend, der Wirt grummelnd, das Essen teuer, der Trockenraum ein feuchter Container außerhalb der Hütte, eine einzige (!! no go) Toilette für die ganze Hütte, kaltes Wasser für die Hände, warme Dusche 1Euro für eine Minute. Aber immerhin: ein Dach über dem Kopf, es kann kacheln und es sollte kacheln. Lager- und Hüttenromantik. Wir richten uns schon ein. Dani & Andi versuchen sich im Schachspiel, ein paar wollen sich Mensch-nicht-ärgern und Tisch2 glänzt mit besten Anekdoten.
Tag 3 – Tuxer Joch Haus – Brenner – Sterzing – 700 Höhenmeter
Die Nebelsuppe sollte bis zum frühen Morgen am Tag3 den Blick auf den Tuxer Gletscher partout nicht freigeben. Der Regen trommelt gleichmäßig auf die Terrassenüberdachung. Was zur Folge hatte, der ausgiebige Regen blieb schließlich hartnäckig, dass nun unser gesamtes Equipment gefordert war. Gesamt heißt: Überschuhe, Regenhose, Regenjacke, Kapuze, Helmhaube, Handschuhe, all das – das volle Programm. Wir starten trotzdem allerbestens gelaunt in Erwartung der vor uns liegenden 2000(!) Tiefenmeter. Ist das nicht geil? Wir sollten nicht enttäuscht werden. Ein Trail vom Feinsten, 100% fahrbar, mitunter spektakulär und in der Kategorie „sensationell“ bestens aufgehoben. Wir zirkeln konzentriert und breit grinsend ins Tal. Bei schönem Wetter wäre es kaum auszuhalten gewesen. War das seinerzeit noch ein verblockter zum Teil sehr schwierig zu fahrender steiniger Trail, ist es nun ein bestens präparierter Kehrenspass vom allerfeinsten. 55 Kehren, eine Quell der Freude. Damals war der untere Teil nicht einmal fahrbar, heute rollst Du ins Schmirrntal und grinst von einem Ohr zum anderen. Was für eine Party.
Als wir in Gries am Brenner anlanden, öffnen sich die ersten blauen Fenster am Himmel – fortan sollte es trocken bleiben. Wenn Engel reisen. Fräulein: 14 Cappuccino bitte.
Nun trennte sich der Trupp in zwei Teile: Fraktion 1, die komplett durchnässten, die sich nach dem Hotel in Sterzing sehnten und den kleineren Buckel über den Brenner und die alte Bahntrasse nahmen und Fraktion 2, die noch die auf dem Plan stehende Sattelbergalm mitnehmen wollte, egal wie durchnässt man war. Auch gab es eine Überraschung aus der Kategorie: prüfe immer was Komoot dir anbietet. Der Weg zur Sattelbergalm hinauf zum Alois ist mir bestens bekannt und immer eine Reise wert. Komoot allerdings meint, man kann auch die alte Rodelbahn mit 20% und Geröllcharakter nehmen. Kein guter Vorschlag. Bernhard und Rudi kämpften sich dennoch tapfer auf vorgegebenen Track bergan und landeten erst am Hotel Mondschein in der Sterzinger Altstadt an, als die ersten sich schon auf die Sauna freuten. Doch zuerst wurde ein (oder waren es zwei?) Zielbier gezischt. Toller Tag, tolle Trails, tolle Truppe.
Am Abend dann „Ende gut, alles gut“ .. wir speisen hervorragend im Nepomuk in Sterzing die beste Pizza, die ich seit Jahren gegessen habe und zelebrieren die bisherige Hochstimmung auch weiterhin. Es gibt Tiramisu, es gibt Eis, es gibt sogar einen Schnaps und am Ende gibt es einen Stuhlkreis und jeder darf erzählen, was er aus den vergangenen Tage so für sich mitgenommen hat. Auch das wird hier nicht verraten. Wir wissen, was wir gehört haben.
Tag 4 – Sterzing – Schwaz – 640 Höhenmeter
Hurra. Frühstücken zu christlichen Zeiten. Nicht 6h, auch nicht 630h oder 7h stand auf dem Zettel sondern entspanntes zwischen 8h und 9h, je nachdem wer heut was noch wie vor hat. Der letzte Tag war „offen“ und die Optionen vielfältig: wollen wir mit dem Rad bis Brenner und mit Zug nach Schwaz, oder mit dem Zug von Sterzing bis nach Hause, oder radeln wir gar die Strecke zurück und schließen den Cross-Kreis damit ordnungsgemäß? Fragen über Fragen. Jeder hatte so seine Vorstellung. Es gab letztlich drei Gruppen. Die Eilige, die Faule, die Fleißigen. Ich verrat Euch, wer bei den Fleißigen dabei war.
Tag4 und Group3 schloss also den Kreis dann noch mit einem ordentlichen Bike-Ritt (ok, ok, zum Teil ohne Rucksack) an einem Stück von Sterzing bis nach Schwaz (7 Biker, 92km, 640hm). Group2 nahm den gemütlichen Wege per privater Busfahrt (6 Pers) mit dem Anhänger. So what, darf man ruhig.
Helmut, Georg, Thomas, Rudi, Erich, Lars und ich ließen es krachen. Erst rocken wir den Brenner, dann fräsen wir einen Schlitz in den Teer hinunter nach Innsbruck und schließlich fahren wir ohne Pause am Innradweg entlang bis zum Parkplatz in Schwaz. Natürlich nicht ohne den obligaten Kaffee und Kuchen und ein kleines Pausenbier. Jenes Bier bringt uns allerdings in Verlegenheit, kaum ist der letzte Schluck gemacht öffnet Petrus ein erstes Mal an diesem Tage die Schleusen und gewährt den strammen Biker noch 5min Regenfreude. Stört uns aber nicht, Petrus. Mach was Du willst, wir satteln die Räder auf die Träger und sind im Nu auf der Autostrada, grinsend, zufrieden und glücklich. Alle happy.
Fazit: „One Team one Spirit“ wurde auch bei der „Upgrade“ Version vom Projekt 2016 ALP gelebt. 14 Kollegen und Kolleginnen absolvierten auch diesen Alpencross nicht nur erfolgreich, sondern auch überaus glücklich und zufrieden. Die Moral zu jeder Sekunde dieses langen Wochenendes (Do-So) auf überdurchschnittlich hohem Niveau, die Laune unbeschreiblich gut und die Tatsache, dass es weder Pannen noch Platten gab, entschädigt für den Umstand des regnerischen Vormittags am Tag3. An allen anderen Tage tauchte das Projektteam passabel unter den Wolken durch und einzig ein Wermutstropfen bleibt bei dieser Tour. Eckhardt hatte sich in der Vorwoche beim Rennradeln in Slowenien verletzt, trat dennoch äußerst motiviert bereits am Dienstag mit dem guten alten NoPogo (mit exakt diesem Bike fuhr ich meinen ersten AlpX 2002) die Anreise nach Schwaz und die Passage zur Weidener Hütte bewältigt, musste dann aber am Steilstück zum Geiseljoch die Segel streichen. Eckhard, da müssen wir doch nochmal eine Tour planen!
und überhaupt hab ich mir einmal mehr gedacht: crossen is doch was richtig schönes (es war längst überfällig). Du erkämpfst Dir den Gipfel, schiebst den Schweinehund beiseite und den Weg hinauf, wirst oben warmly empfangen und gut bewirtet, dann darfst du ins Tal, den Grinser im Gesicht, du zirkelst, du schaust, du staunst und mit Dir Deine Truppe … die allesamt mehr oder minder same/same empfinden. Das hat schon eine Portion Glück.
Danke an meine 13 OneTeam-Members. Ihr wart *S*P*I*T*Z*T*E*.
*** © Udo Kewitsch, Jul/Aug25 ***
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