Abenteuer pur – Kathmandu – Pokhara

Mit dem Mountainbike auf längst vergessenen Pfaden

„Gip Trinkgeltt“. Das waren die ersten Worte, die in Kathmandu an mich gerichtet wurden. „Gip Trinkgeltt“ dafür, dass der junge Nepali unaufgefordert versuchen wollte, meinen schweren Bikekoffer vom Gepäckband bis zum Kleinbus zu rollen, der für uns bereitstand. Diese von Indien eingeschleppte Unsitte sollte allerdings bis zum Abflug die einzig negative Begegnung bleiben. Touristische Globalisierung auch in Nepal.

ready for takeoff

hoppala Übergepäck

Doch der Reihe nach. 2 Wochen Nepal. 2 Wochen Bike-Abenteuer der besonderen Art. Der Auftrag war ebenso weit gefasst wie exotisch: wir sollten eine alte, längst vergessene, Handelsroute zwischen Nepals Hauptstadt Kathmandu und dem Annapurna-Massiv mit dem Mountainbike „ausgraben“ und sowohl die Erlebnisse als auch die Streckenführung dokumentieren.

Nepal – so groß wie Österreich und die Schweiz zusammen. 23 Millionen Einwohner.

Dach der Welt. Fernes Land. Fremde Kultur. Die höchsten Berge dieser Erde. Trekking-Paradies. Aber auch ein Bike-Paradies? Das galt es zu „erfahren“ – im Wortsinne und mit all den verbundenen Unwägbarkeiten, die da kommen mochten. Bhai Krishna sollte für die nächsten 2 Wochen unser Guide und Begleiter werden, ein Local, ein sportlicher noch dazu. Hauser Exkursionen, die uns bei unserer Arbeit unterstützten, stellten uns sowohl einen Jeep samt Fahrer, als auch jenen sympathischen Bhai Krishna an die Seite, dessen Sprach- und Ortskenntnisse von unschätzbarem Wert waren.

Kathmandu

Nach dem Check-In im Thamel-Hotel nehmen wir ein Wechselbad in Kathmandus lärmender Hektik und den überfüllten Strassen. Für „Nepal-Ersttäter“ ein besonderes Erlebnis. Natürlich könnte man nun von schreiender Armut berichten, von Dreck, mangelnder Hygiene, vom Chaos, von steter Unruhe, von großen Kinderaugen und triefenden Nasen, von Lumpen und lehmigen Hütten am staubigen Straßenrand. Aber das wäre zu einseitig und somit verkehrt. Vielmehr vermischen sich diese Bilder mit prachtvollen Tempeln, glücklichen Menschen, mit Offenheit und Gastfreundschaft. Ein Flair, das untermalt wird von folkloristischen Klängen, die aus allen Ecken und Winkeln heraus hallen, von Gebetsfahnen und Düften, sowie farbenprächtigen Straßenständen. Kathmandu – ein Schmelztiegel einerseits, ein seltsames Gebräu andererseits.

Glück, Zufriedenheit, Gelassenheit sind die wesentlichen Merkmale der Nepali – Missgunst und Neid sind hier nicht existent. Ein Umstand, der unserem Lebensrhythmus hier sicher auch gut zu Gesicht stünde.

Wer genauer hinsieht, entdeckt noch einige Hippies, die den Weg in den 70iger Jahren nicht mehr zurückgefunden und nun dem modernen technokratischen Europa endgültig den Rücken gekehrt haben.

Shuttle

Öffentlicher Nahverkehr

Wir starten in den frühen Morgenstunden in einem Nationalpark und peilen das erste Tagesziel an. Nach dem ersten intensiven Eindruck des gestrigen Tages präsentiert sich nun das ruppige und grobe nepalesische Wegenetz – und das sollte sich für die nächsten 10 Tage nicht ändern. Gröbstes Geläuf, Steine, groß wie Blumenkohl, Furchen so tief wie Bachläufe, Pisten wie Waschbretter. Hoffentlich halten unsere Centurion Fullys diese Strapazen durch (um es vorweg zu nehmen: sie hielten durch, bravourös, obwohl die gesamte Strecke eine Hardcore Prüfung vom Gröbsten war). Kathmandu, 1300 Meter über dem Meeresspiegel, liegt schon weit hinter uns und doch begegnen uns auf unserem Weg durch die Berge ständig Menschen. Fast jeder begrüßt uns mit der Formel „Namaste“ („Ich grüße das Göttliche in Dir“), jeder lächelt uns an und jeder fasst uns und unser Equipment an. Das futuristische (und unentbehrliche) Garmin GPS Gerät an unserem Cockpit sorgt in jedem Bergdorf für große Diskussion und wirft unentwegt die Frage „Mobile?“ auf.

 

Die drei vom Trip

Namaste, namaste ….

Schule hat begonnen

Ganz anders als seinerzeit in in der Presse von Edi Hutterer dargestellt also unsere Erfahrung mit den Menschen in Nepal. Kein einziger Steinwurf, kein einzig böses Wort, kein Wegezoll und schon gar kein Hass, der uns entgegenschlägt. Mag sein, dass die politische Lage Ende 2006/Anfang 2007 in Nepal eine weit Stabilere ist, als das zum Zeitpunkt der Reise von Simon Holzmann der Fall war. Wir erleben in diesem Teil Nepals Gastfreundschaft und Offenheit allerorten. Unzählige Kinder laufen uns kilometerweit und meist barfuss nach, lachend und fröhlich „Namaste“ und „bye, bye“ rufend.

Wir kämpfen uns in den nächsten Tagen weiter Richtung Pokhara durch und basteln so Tag für Tag unsere Tour mit allen Facetten und sportlichen Elementen des Mountainbike-Sports zusammen. Kombiniert wird dies mit einem unvergesslichen Ausflug in die einzigartige Vielfalt der nepalesischen Bergwelt. Technisch anspruchsvollen Downhills folgen knackige Uphills, es folgen Tagesetappen auf traumhaften Höhenwegen, die direkt an „never-seen-before“-Single Trails anschließen. Ein kurzer, verkehrsarmer Anstieg auf Asphalt sorgt fast für Entspannung, während wir auf den folgenden Tageseinheiten sowohl visuell als auch sportlich das insgesamt sehr hohe Niveau unverändert beibehalten. Karrenwege, als auch Sand-, Lehm- und Schotterpisten prägen zu über 90% den Fahrbahnbelag. Die Tagesetappen betragen durchschnittlich 35-45KM und etwa um die 800-1500 Höhenmeter pro Biketag – was zunächst nicht ungewöhnlich klingt, aber in Anbetracht der vorherrschenden Infrastruktur keinesfalls unterschätzt werden sollte.

Im Gegensatz zu einem Alpencross ist ein Tourtag mit dem Mountainbike in Nepal jedoch von ganz anderer Couleur. Während ein Tag in den Alpen mit ca. 50-60Km und ca. 2000 Höhenmetern veranschlagt wird, sollte bei nepalesischem Vorzeichen höchstens 40-50Km und maximal 1500 Höhenmetern angesetzt werden. Zu steil die steten Stiche, zu unwegsam das Gelände Offroad und natürlich zu groß die Versuchung an jeder neuen Wegbiegung für ein weiteres Foto stehen zu bleiben. Grüne Reisfelder, wilde Schluchten, karge Lehmlandschaften, tiefgrüner Dschungel und zwischendrin all die freundlichen Menschen.

Bus is coming …

Begleitet wird diese Reise daher von Impressionen, deren Fülle unbegrenzt scheint. Landschaft, Vegetation, Panoramen auf der einen, Kinder, Menschen, Exotik, eine vollkommen andere Welt auf der anderen Seite sind der Garantieschein für dieses wahrhaft einzigartige Mountainbike-Abenteuer. Auch unsere Unterkünfte sind ebenso vielschichtig: vom 1st Class Hotel in Kathmandu bis hin zur einfachen Lodge.

Als wir am Abend des dritten Tages, die Dunkelheit hat uns schon verschluckt, in einem abgelegenen Bergdorf eintreffen, stellen wir fest, dass dieser Fleck Erde durchaus als „trostlos“ bezeichnet werden kann. Keine Lodge, nichts was annähernd nach Gemütlichkeit aussehen könnte. Was tun? Bhai Krishna organisiert eine Unterkunft bei einer Familie. Wir schlafen wohl im Ehebett, ein Holzverschlag mit dünner Strohmatte. Raumhöhe 1,40m, elektrischer Strom und fließend Wasser Fehlanzeige.

Und dennoch zaubert die Frau des Hauses für uns und die restlichen 8 Familienmitglieder das traditionelle Daal Bhaat, ein einfaches Reis – Linsen Gericht. Gegessen wird bei Kerzenlicht auf dem Boden hockend. Ein Umstand, der sowohl in den vergangenen als auch den darauf folgenden Tagen häufig die Frage aufwirft: „Wo möchtest Du leben? Hier oder im Chiemgau?“.

Dieser Frage kommt erhöhte Bedeutung zu, als ich am Abend des 2.Januars in einem wahrhaft bescheidenen Hotel in Besisahar unvermittelt in die Knie gehe. Mir ist hundeelend. Wenigstens gibt es einen Eimer. Irgendwie überlebe ich diese unsägliche Nacht, in der ich ein Königreich für ein erfrischendes Glas Cola gegeben hätte.

Schon fast tragisch auch folgende Geschichte, die uns ereilte, als wir auf der Suche nach dem „rechten Weg“ von eben jenem abwichen und plötzlich im Gehölz an einer Sackgasse standen. Der junge Bauer, der wenig hundert Meter entfernt in seiner einsam gelegenen Hütte lebte, eilt herbei und will sofort behilflich sein. Vor lauter Übermut will er eines unserer Bikes ausprobieren, kommt einen halben Meter weit und stürzt so unglücklich, dass wir nur noch den gebrochenen Arm diagnostizieren können. Provisorisch schienen wir das Gelenk und hinterlassen ihm ein paar Rupie für die Busfahrt in die nächste größere Stadt Dhading.

Unser Ruhetag in einer der ältesten Königsstädte Nepals sorgt ebenso für Entspannung und Kurzweil wie auch die anschließenden Tage in der idyllisch gelegenen Stadt Pokhara am Fewa Lake, wo ein weiterer Biketag zum Aussichtspunkt Sarangkot auf 1600m ü.M. erfolgt.

Der erstmals freiwerdende Blick auf die höchstens Berge der Welt treibt mir die Gänsehaut auf die Haut. Unbeschreiblich atemberaubend: das gesamte Annapurna Massiv, als auch viele weitere berühmte Riesen, wie den Dhaulagiri (8168m), den Annapurna I (8091m), Annapurna II (7939m) oder auch das phantastische Matterhorn Nepals , den Machhapuchhre (6993m). Wie klein wir Menschen doch sind.

Die Wanderung zur World of Peace Stupa bietet den krönenden Abschluss unserer einzigartigen Biketour (die nun von Hauser Exkursionen als exklusive Reise angeboten werden wird). Auch von diesem Standort aus können wir das Massiv der Bergriesen in Ehrfurcht genießen.

World of Peace

Die beste Zeit für eine solche Reise wird wohl zwischen Oktober und März liegen. Die Temperaturen tagsüber sind durchweg moderat (14-20°C), nachts kühlt es deutlich ab (4-6°C), wobei die Regenwahrscheinlichkeit gegen 0 tendiert. Preislich betrachtet ist eine Reise nach Nepal durchaus interessant: sowohl Unterkunft als auch Speis und Trank bewegen sich auf niedrigem Niveau. Allerdings gilt dies In jeder Hinsicht – Wiener Schnitzel oder sonstiges „Continental Food“ steht nicht auf dem Speiseplan, das Wasser sollte man ausschließlich aus der Flasche (darauf achten, dass diese wirklich versiegelt war), niemals aus dem Wasserhahn genießen.

Die Traumtour steht. Knapp 300 Kilometer, etwas weniger als 10.000 Höhenmeter und einige „Add-On“ Routen sind sowohl im GPS als auch in unseren Köpfen unauflöslich gespeichert und die Verarbeitung der Daten dauert wohl noch eine ganze Weile an – in jeder Hinsicht.

Mein Abschied vom Trek-O-Tel (endlich eine Unterkunft, die den Namen „Hotel“ verdient) der touristisch geprägten Stadt Pokhara wird begleitet von zweierlei Gefühlen. Einerseits die Erkenntnis, dass unsere spannende und sportliche Reise sich dem Ende nähert, andererseits die Vorfreude auf Familie und fließend warmes Wasser daheim. Wie sagte meine Tochter neulich am Telefon: „Ich hab Heimweh nach meinem Papa.“.

Die 11 Stunden Busfahrt für die rund 200KM nach Kathmandu scheinen daher unendlich. Das nächtliche Chaos auf den Straßen Kathmandus kann man nicht in Worte fassen. Das muss man erlebt haben.

Dann der übliche Morgennebel in Kathmandu. Mein Rückflug ist daher geprägt von Wartezeit, Verspätung und letztlich verpasstem Anschlussflug. So erlebe ich eine weitere Zwangsnacht in Doha bevor ich bei meiner Ankunft am Münchner Flughafen vergeblich nach einem Kofferträger und den Worten „Gip Trinkgeltt“ suche.

old Bike, Nepal

Der Bart muss ab!

 

Infobox I: Buchtipps 

Trekking Guide Nepal, Bruckmann Verlag, ISBN 3-7654-4153-8

Nepal Bildband, Dieter Glogowski, Bruckmann Verlag, ISBN 3-7654-4387-5

Nepal, Marco Polo, Mair Dumont Verlag, ISBN 3-8297-0017-2

Nepal Bildband, Bergverlag Rother, Edwin Schmitt, ISBN 3-7633-7031-5

CD Nepal, Trekking Touren und zahlreiche Infos, Rother Verlag, Ottobrunn

by the way: diese Story ist erschienen in der österrischen Radwelt, im Münchner Merkur, im Traunsteiner Tagblatt und wurde präsentiert auf den Hauser Tagen in Bern, Berlin und Garmisch Partenkirchen

Infobox II – Tour:

Infos / Programmm: Hauser Exkursionen, 089 / 23 50 06 – 0, www.hauser-exkursionen.de oder

Preis inkl. Flug, Transfers, Unterkunft, Support, p. Pers. 2.790 Euro, (seinerzeit 2007) …

Infobox III – Tourdaten Hauser 

16 Tages Exkursion, inkl. umfangreichen Kultur- und Freizeitangebot, davon Bikeprogramm:

  1. Tag: 33 KM, 980 Höhenmeter
  2. Tag: 32 KM, 380 Höhenmeter (aber ca. 1400 Höhenmeter Downhill)
  3. Tag: 39 KM, 1280 Höhenmeter
  4. Tag: 34 KM, 800 Höhenmeter
  5. Tag: 31 KM, 1110 Höhenmeter
  6. Tag: 40 KM, 870 Höhenmeter
  7. Tag: 51 KM, 1490 Höhenmeter
  8. Tag: 32 KM, 985 Höhenmeter
  9. Tag: max. 63 KM, ca. 1360 Höhenmeter – optionales Programm

Insgesamt ca. 350 Kilometer, ca. 7.900 Höhenmeter, reine Fahrzeit ca. 35 – 38 Stunden

Empfehlung:

Neben einer guten gesundheitlichen Verfassung, sollte eine überdurchschnittliche Kondition und Ausdauer vorhanden sein. Grundvoraussetzungen: sichere Fahrtechnik und entsprechende Ausrüstung (Helm, Handschuhe, etc.). Als Mountainbike empfiehlt sich aufgrund der Wegbeschaffenheit in jedem Fall ein Fullsuspension-Bike.(Fully) – vor Reiseantritt sollte man eine gründliche Inspektion gemacht und Mängel behoben haben. Für den Transport empfehlen wir einen stabilen Bikekoffer (Achtung: Bremsscheiben demontieren, Luft ablassen)

***ende***

© Udo Kewitsch