Von der Haustür nach Udine

Prolog

6.45h. Morgengähn. Müdigkeit lässt sich nicht verscheuchen, die ist einfach da. Meine liebe Frau weckt mich mit den Worten: „Warum fährst Du eigentlich nicht – warum seid ihr nicht einfach gefahren?“, öffnet die weinroten Vorhänge unseres Schlafgemachs und lässt die Sonne herein. Tolle Frage. Sonne?

7.50h. Früh am Morgen. Müdigkeit has gone. Ich schließe mein Notebook ans Firmennetz an und unmittelbar nach dem routinemäßigen Login ertönt in meinem Rücken die Stimme meines Chefs:“Warum seid ihr eigentlich nicht gefahren?“ und fügt ganz selbstbewusst hinzu „also, wenn ich Du gewesen wäre, ich wäre gefahren!“, was natürlich die Schar meiner in unmittelbarer Nachbarschaft sitzenden Kollegen zu der einhelligen leicht frotzelnden Bemerkung veranlasst „Ja, genau. Warum fährst eigentlich nicht? Die Sonne scheint doch!“ Und ich denke so bei mir „Menschenskinder, warum bin ich eigentlich nicht gefahren ….?– Fahr halt !“ Genau – ich fahre – mein Chef wäre schließlich auch gefahren, wenn er ich gewesen wäre. Wenn. „He,Chef ,ich brauch ´nen halben Tag frei – ich mach noch schnell fertig und Nachmittag bin ich weg.“

13.00h, Siegsdorf Ortzeit, ich stempele aus. Die Sonne scheint. Nur noch packen. Fettes Grinsen.

Der 1. Tag –Mo 01.08.(52km, 3h:23min, 1023 Höhenmeter)

Siegsdorf –Ruhpolding –Seegatterl –Winklmoos –Möseralm –Stallenalm –Waidring –Pillersee – St.Ulrich

Sonne ? Sommer ? 2005 ? Um es vorweg zu nehmen, diese Wortkombi passt nicht. Einigen wir uns darauf, dass der sehr lang andauernde Frühling nahtlos in einen sehr rechtzeitig eintretenden Herbst übergegangen ist – ein Frübst sozusagen. Regen, überlaufende Flüsse oder Bäche. Sollte es mal nicht geregnet haben, so war es meist bedeckt, verhangen oder sonst irgendwie ungemütlich. An den wenigen Tagen an denen die gelbe Himmelsbirne sich einmal genötigt sah hervorzutreten, stand weder Sam- noch Sonn geschweige denn Feier- am Wortanfang des jeweiligen –tages.

Aber heute – heute am 01.08.2005 scheint die Sonne und gar nicht mal schlecht. Sollte es vielleicht doch klappen mit unserem stet unverbindlich anvisierten Alpencross – 2. Auflage? Packen. Regenzeug – obwohl es in diesem Jahr, rein statistisch betrachtet, nicht mehr regnen kann, Windweste, Powerbar, Pulsuhr, Höhenmesser, Seidenschlafsack (den ich immer dabei hab – und nie brauche), Ärmlinge, Beinlinge, Sigma-Mirage und so manches spartanische Accessoire. Meine VauDe Offroad Bag beherbergt die Regensachen, im Deuter Transalp werden die restlichen knapp 6Kilo verstaut – mein luxuriöser Apple iPod inklusive – man gönnt sich ja sonst nichts. Noch das eine oder andere kurze Abstimmungsgespräch mit meiner Frau („Wie? Du fährst jetzt doch?“) und meinen lieben Kindern („Papa, bringst du wieder was mit ?“) und noch eine Tasse Cappuccino im Stehen, nebenbei Kurzcheck ob die Luft im Reifen auch ok ist und das Equipment auch den Anforderungen entspricht.

16h. Abfahrt. Now or never. Alpencross 2005 startet diesmal direkt von der Haustüre weg. Alle Messgeräte auf 0. Zero.Go.„Silvia, ciao, ich komme wieder …..“ „Ja, ja ….paß auf “.

rollin

Der Radweg von Siegsdorf nach Ruhpolding in Richtung Vordermiesenbach läuft oberhalb der Traun durch einen kleinen Wald und beginnt schon nach wenigen Metern mit einer allerersten kleinen Bergprüfung. Fährt man die ca. 26%ige Asphaltrampe oder die ca. 16-18% gebogene Schottervariante. In Anbetracht der vor mir liegenden knapp 10.000 Höhenmeter entscheide ich mich – ganz ratio – natürlich für die Waldwegversion um dann auch gleich aus dem Wäldchen wieder ausgespuckt zu werden. Ruhpolding liegt mir zu Füßen. Der Unternberg grinst mich an, Rauschberg halblinks ragt unverrückbar empor und genau durch die Schneise dieser beiden Berge führt mich mein Weg.

16.15h „Hi ,Carolin. Alles klar? Flaschen voll? Der Alpencross hat begonnen, spring auf.“ Breites, abfahrtb(e)reites Grinsen. Noch ein Adelholzner Active O2 ins Gepäck und wir rollen Richtung Zell, entscheiden uns dann leider gegen den Abstecher übers Röthelmoos und den Abschwung durch das wunderschöne Wappbachtal. Eine Entscheidung die sich später als verhängnisvoller kapitaler Fehler erweisen wird. Dazu gegen Ende der Tour mehr. So rollen wir zunächst ganz im Sinne eines Warm-up auf dem Radlweg Richtung 3-Seen-Platte zwischen Ruhpolding und Reit im Winkl. Am Biathlon Zentrum vorbei geht es stet leicht bergan, aber nie wirklich kritisch. So hat man Zeit sich überhaupt erstmal einzufinden in diese neue Woche, die vor uns liegt. Überhaupt erst einmal zu realisieren, dass wir beide vor wenigen Stunden noch an unseren Arbeitsplätzen über Marketingkonzepte gebrütet haben oder mit strategischen Einkaufsfragen beschäftigt waren. Ey – Freiheit –Alpencross ´05 – stimmt schon … wir sind wieder unterwegs.

Wir rollen also –noch auf etwas unsicheren Beinen. Schaffen wir es wieder ? Was liegt vor uns? Die vor einigen Tagen mit Hilfe von Ulrich Stancius CD zusammengestellte Tour ist diesmal etwas „lean “ – weniger Tage, weniger Höhenmeter. Haben wir aufgrund des doch verregneten ersten Halbjahres geringeren Trainingspensums Manschetten gehabt? Nein, niemals! Seegatterl, die erste Station, noch kein wirklicher Prüfstein bislang, aber immerhin kommen wir bald in Regionen, die außerhalb unserer tagtäglichen Bikereviere liegen. Nur noch hinauf zur Winklmoosalm um dann gleich weiter zur Möseralm zu pedalieren. Oberhalb der Möseralm ist der kurze Stop am Brunnen eine willkommene Unterbrechung und der letzte kurze Schnapper kann uns nicht mehr erschrecken.

Der Tag neigt sich und dürfen nur noch runter. Stallenalm – Waidring. Scheibenbremse zeig, was du kannst. Man wird sich ja mal freuen dürfen. Während die Abenddämmerung sich anschickt die Herrschaft zu übernehmen, kreuzen wir die Strassen in Waidring. Hier ist alles ganz auf Tourismus eingestellt – Montag ist immer Kindertag. Halligalli in den Strassen. Leuchtende Kinderaugen. Ich bin ein Rabenvater.

Der Waldpfad Richtung Pillersee ist ein sehr schöner, sich am Pillersee entlang windender Weg, der uns einfach nur Spaß macht. So schön kann biken sein …eben noch in der Arbeit und schon so weit weg vom Alltag. Es ist kurz vor 20h, wir haben zwar keine Alpencross übliche Etappe gemacht, aber gemessen an Startzeit und Tagesinhalten sind wir schon wieder mittendrin im Geschäft. Das Wetter hält. Er wird doch nicht doch noch kommen, der Sommer 2005? Der Pillersee am Abend Einkehr im Haus Vogelsberger. Zimmer mit Blick auf die Bersche. Versprochen wird ein opulentes Frühstück –die Spaghetti am Abend in der Pizzeria des Ortes sind schon fast obligatorisch. Die sich per Zufallsgenerator ankündigenden Regentropfen machen uns keine Sorgen, oder etwa doch? Ausklingendes Tagebuchschreiben und Tag 1 macht das Licht aus.

Und irgendwie kommt mir – wie im Traum die Szenerie oben am Winklmoos Parkplatz in den Sinn: was für ein Panorama. Was für eine schöne Szene. Lichtblauer Himmel. Eine Kuppe, o nach hinten, Beine gerade, Bremsen in Habacht-Stellung, und einfach nur so ein kleines wenig dahin floaten –wie ich gerne zu sagen pflege. Floaten. So muss es sein. Ist doch alles bestens … so schläf t man auch prächtig ein … gar kein Problem, man braucht weder Schafe noch sonstige Hilfsmittel, sondern nur diese eine Vision …guggst du. Das sind so die Momente, wo man hochschreckt und nicht verschwitzt unwohl, sondern verschmitz sauwohl grinst, sich umdreht und weiterschläft bzw. träumt. Von den Trails dieser Welt.

Der 2. Tag –Di 02.08.(80km, 6h:06min, 1975 Höhenmeter)

St.Ulrich –Fieberbrunn –Hochfilzen –Eiserne Hand –Spiegelbergalm –Saalbach Hinterglemm – Hacklbergalm –Seetörl –Klingerltörl –Kaprun –Bruck – Fusch

Neuer Tag –neues Glück. Appropo Glück, die Regentropfen der Nacht schicken sich an auf dem vor uns liegenden Asphalt langsam zu verblassen. Die Aussicht aus unserem Zimmer zeigt uns aufreißenden weiß blauen Himmel und leicht dampfende Strassen. Ich muss sagen, ich finde es in Ordnung, wenn der Herrgott die Nacht dafür benutzt seine Blumen zu gießen und uns nicht bei helllichtem Tage mit solchen Dingen behelligt. Behelligen lassen wollen wir uns aber zunächst von dem versprochenen „opulenten Frühstück“ und erleben die erste Ernüchterung des Tages. Unter dem Wörtchen „opulent“ stehen im Thesaurus solche Worte wie „üppig “,„prächtig “,„feudal “ oder gar „fürstlich“ und „luxuriös“. Tja, dieses Frühstück mag ja die Bestandteile eines solchen enthalten haben, sprich Butter, 2 Scheiben Wurst, eine Semmel (bei Bedarf bekam man eine zweite), Marmelade, Kaffee (auf Anfrage bekam man einen zweiten). Solche opulenten Beiwerke wie ein Frühstücksei suchte man vergeblich, dies sei dann doch bitte separat zu ordern. Aber immerhin ohne Aufpreis. Nun ja, man nächtigt ja nicht wochenlang im „Vogelsberger“. Also Opulenz beendet, rauf auf den Gaul ,auf geht ’s. Vor uns liegen neue Herausforderungen. Knapp 2000 Höhenmeter und 80 Kilometer. Sollen sie doch kommen.

Relaxmodus

Das Roadbook leitet uns Richtung Fieberbrunn und dann nach Hochfilzen. Verschlafene österreichische Skiorte liegen am Fuße diverser schöner Berge. Die Luft ist nicht wirklich warm. Die berühmte „Eiserne Hand “ liegt uns zu Füßen und nun wird es wirklich ernst. Es wird ein Weilchen dauern, bis wir auf der Spielbergalm rasten dürfen. Und wahrhaft, der Weg brennt uns die Muskulatur sauer. Es geht hoch, damit nicht genug, es geht permanent steil hoch, der Schotter ist aufsässig und freut sich daran, uns foppen. Erstmals kommen mir wieder jene Gedanken, die von tief drinnen soufflieren „hör doch auf “ oder „schieb doch, schieb doch“. Grausam. Das sind Momente, wo man sich fragt „Warum mach ich das eigentlich alles“. Gerade jetzt, am Morgen des 02.08. drängen sich diese Gedanken in den Vordergrund, während ich krampfhaft versuche mir die verbleibende Strecke in kleine verdauliche Stücke einzuteilen. Wäre doch gelacht, wenn der Buckel hier die Oberhand behält. Und genau so isses: der Buckel verliert gegen uns, wir kommen ohne Schieben an und die Spiegelbergalm zeigt sich im Sinne einer Belohnung von ihrer besten Seite. Urgemütlich, herrlich gelegen, inmitten einer sanften Sonne. Na, geht doch. Noch ist Hopfen und Malz nicht verloren. Aber wir sind noch nicht fertig für heute. Es geht anständig bergab um dann in Saalbach Hinterglemm aufzuschlagen und gleich den nächsten Anstieg in Angriff zu nehmen. Dieser erscheint laut Plan nochmals etwas anspruchsvoller: das Klingerltörl will bezwungen werden. Immerhin knapp über 2000m.

Wegweisend

Doch vor das Gipfelglück hat der liebe Herrgott den Schweiß gesetzt. Und der rinnt. Gehörig. Gewaltig. Meine Herrje, warum … ach ja das hatten wir ja schon. Es ist schon manchmal mühsam so ein Alpencross. Die erhoffte und fest einkalkulierte Rast auf der Höhe von ca. 1650m  entpuppt sich als fataler Error. Nix Hütte, es geht einfach nur noch weiter hoch. Der Weg ist gemein, die Temperatur zwar nett, aber nicht wirklich Entlastung schaffend, und die ersehnte Hütte einfach noch zu weit weg von uns. Es begegnet uns ein älteres Ehepaar, und irgendwie denke ich, im falschen Film zu sein. Läuft die dicke alte Dame hier auf 1700m wirklich mit ihrem Wackelbusen oben ohne rum. Kleiner Irrtum. Es war nur ein fleischfarbener BH. Igitt.

Es kommt schließlich doch wie es kommen muss: die Hacklberger Alm !!! Endlich und intakt. Und offen. Ein Traum. Jetzt erstmal Brotzeit. Ausgiebig. Jetzt nur noch die letzte Hürde … Oben angekommen dann so ein Ausblick: Klingerltörl. Gigantisch. Jetzt stellt sich hier oben in der Einöde nur die Frage: links, rechts, geradeaus, oder irgendwie halblinks? Die Schilder geben nicht wirklich Aufschluss, letztendlich siegt aber unser scharfer Verstand und wir finden den schmalen Pfad, der uns (rechts) weiter hinauf führt.

Perspektive und Weitsicht, Ruhe und jene faszinierende Stimmung, die sich manchmal in solchen Momenten einzustellen pflegt macht sich breit. Meine Güte –das sind Momente. Davon kann man zehren. Von der darauf folgenden kurzen Trailabfahrt auch, die ist nicht schwer, nicht schlimm, schön und die paar Meter „Wiesenschieben“ machen die Suppe auch nicht salzig. Wir machen es kurz. Es folgt eine schöne Abfahrt, meine Hormone toben, ich habe Endorphine ohne Ende und man kann es krachen lassen, das es eine Freude ist. Der Magura Louise sei dank. Es ist einfach wonnerbar. Die paar Meter bis nach Fusch, unserem nächsten Etappenziel machen wir mit links, das eine oder andere optische Highlight speichern wir automatisch bzw. auf der Canon D20 und die Zeit auf dem Weg nach Kaprun verfliegt. Die Rollerbladerin, die des Weges kommt, uns sogar noch den Weg erläutert, hält auf dem Radweg mühelos mit unserem Tempo mit und die Stimmung ist prima. Na, wer ist wohl schneller? Was will man mehr? Nun nur noch ein Quartier in Fusch, am Fuße des Glockners und dann kann er kommen, der Königstag.

offroad

Der 3. Tag –Mi 03.08. (86km, 5h:55min, 2280 Höhenmeter)

Fusch –Mautstation Grossglockner –15Kehren –Großglockner –Heiligblut –Mörtschach –Winklern –Iselsberg –Nußdorf Debant –Lienz

Was für ein Tag. Hier unten liegt eine Wolken- und Nebelglocke über allem – aber zumindest

ist kein Regen in Sicht. Die Nacht im Hotel war gut. Die Hauptstrasse, die normalerweise Scharen von Motorradfahrern und sonstigen Ausflüglern einzige Durchgangsmöglichkeit bietet, ist relativ ruhig im Morgengrauen. Um 9h steigt die Frequenz –die Quote der durchreisenden „Glockner -Gugger “–dann meist enorm an. So verwundert es nicht, wenn das andere Bikerpaärchen sich an diesem Morgen bereits um 7h verabschiedet hat. Also so früh muss es wirklich nicht sein. Der sanfte Nebel steigt gen Himmel und wir genießen das Frühstück –welches dies mal das At tribut „opulent “ v erdient – und stärken uns für die kommenden Herausforderungen. Immerhin gilt es den großen Großglockner zu queren und das ist kein Papenstiel. Noch schnell ein Check im World Wide Web und Grüße an die Radfreunde Hilpoltstein und meine Tochter at the job.

Zunächst rollen auf der Teerstrasse von Fusch bis zur Mautstation, zwar leicht bergan, vorbei am Flusslauf und Felswänden aber nicht wirklich anstrengend. WarmUp. Die Autos stören nicht wirklich, zu groß ist die Vorfreude. An der Mautstation ist alles ziemlich trist. Ein  Riesenparkplatz, eine lieblos wirkende Pension, ein paar Mauthäusl, die im Sommer die Touristen ordentlich – aber wirklich ordentlich – abkassieren und ein paar, Millimeter genau  platzierte Betonklötze, die bestenfalls Biker wie uns kostenfrei passieren lassen. Jetzt geht ’s looos Bergwärts – nebenan kocht der liebe Gott ein Süppchen Auf geht ’s –Großglockner wir kommen. Die Wolken wollen nicht weichen (quasi WWnW) und trotzdem ist es egal. Der  iPod im Ohr wird für den Gipfelsturm konfiguriert. Die eigens für solche Zwecke installierte Playlist „FiveStars“ offeriert nur das Feinste vom Feinsten und wirkt somit für die nächsten 1.500 Höhenmeter als Zusatz Turbo. Die Songs lassen mich treiben, schmerzfrei und effizient erfolgt Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung, Kehre für Kehre und Meter für Meter Vortrieb.

Robbie Williams einerseits und Metallica andererseits pushen mich up-wärts. Einige Rennradler überholen mich, nicht wenige Mountainbiker werden von uns überholt. Einzig die Sicht, die sich partout nicht einstellen will ist ein kleines Manko – aber dafür können wir uns über „Stimmung“ wahrlich nicht beklagen.

Etwa bei der Hälfte genehmigen wir uns einen kurzen Break, tanken die Flaschen auf, gönnen uns einen halben Power bar und weit er geht ’s. Die Suppenköche von Petrus geben alles, wenn es hier Berge gibt, dann gelingt ihnen die Tarnung perfekt. Ich bin ein gutes Stück voraus und die letzten 2-3 Kilometer werden schon etwas mühsam, zumal die Kälte einsetzt. Kurze Hose und Trikot sind jetzt grenzwertig, aber solange man schwitzt will man nicht wechseln. Da bin ich eigen. Dann kommt sie: Die Raststation unterhalb des Fuschertörls. Saukalt. Schnell auf dem Parkplatz eine Endorphin Runde und einen großen Schrei in Richtung Herrgott. Warten auf Caro. Wo ist sie denn ? Die Wolken rasen über die Hänge, ganz kurz wird ein Blick auf das unten liegende Tal frei, ein Schnappschuss und schon ist wieder alles dicht. Ey, Caro, soweit warst Du doch gar nicht hinter mir !? Noch ein paar Minuten … ich klappere, die Hände sind kalt ,das Fuschertörl noch ein Stück weiter oben, die Ziellinie nicht erreicht. Aber wenn, dann schlagen wir doch gemeinsam an, oder etwa nicht? Hier wäre eine gute Rastmöglichkeit, bevor es abwärts geht. Lange Rede … Caro kommt nicht.  Also jetzt schnell mal hoch zur „Glockner-König-Etappen-Station“,anschlagen und schnell noch mal runter, damit Caro dann mit mir einkehren kann. Manch einer der vereinzelt hier Anwesenden guggt mich an, als ich nicht ganz richtig im Kopf sei (und vielleicht hat er gar nicht mal so unrecht mit seiner Annahme – weil ein wenig doof ist es ja schon, bei Temperaturen die gegen 0 tendieren in kurzer Hose und T-Shirt auf einem Bike mit einzig allein mit Rucksack bewaffnet sich hier oben rum zu treiben, weiße Ohrstöpsel (passend zum, weißen Rad – Ordnung muss sein) im Gehörgang verstärken wohl den Eindruck zusätzlich). Was soll es – ich kehr jetzt ein. Verdiente Rast ist schließlich verdiente Rast. Also einmal Apfelschorle (oder besser Tee ?) zum Touristenpreis inkl. Aufschlag, bitteschön. Die Schorle kommt, der Preis ist mindestens so saftig wie der Apfel selbst, der sich hier im Glas befindet, aber die Maut haben wir uns ja immerhin gespart

Auf einmal geht das Handy und Caro teilt mir mit, dass sie diesen Teil der Strecke schon längst passiert hat, der Nebel aber so dicht war, das sie mich nicht gesehen hat und sich bereits auf dem nächsten Anstieg befindet (kommt denn noch einer). Oh Scheiße. Mich friert es immer noch, oder besser mehr denn je. Und der reflektierende erinnernde Blick auf unseren Tourplaner (den Caro mit sich trägt) offenbart, dass da ja noch mal eine Delle vor dem letzten Anstieg war. Das heißt runter und dann wieder hoch. Ohjeohje. Saukalt. Saukalt. Meine Armbehaarung steht steil bergan und es ist wahrlich nicht gemütlich. Die letzte Steigung führt durch einen Tunnel und der Moment ist schnell da. Ich will nicht mehr. Es ist kalt und irgendwie wäre jetzt eine gemütliche Einkehr viel schöner, als sich hier im nasskalten-irgendwo zu quälen. Der iPod unterstützt mich auch nicht mehr, da ich kurz zuvor in freudiger Erwartung alles wieder eingepackt hatte.

Suppe

Dann endlich ist sie da: die Pausenstation am Hochtor. Nichts großartiges, aber immerhin ein kleines Cafe mit zwei Tischchen. Großer Gott, es ist warm innen drin. Und nun ein Cappuccino, einen heißen bitte. Und eine Schnecke – eine warme bitte. Hach. So langsam kehren die Geister zu mir zurück. Breites Grinsen stellt sich ein. Großglockner. Hast gedacht, kannst uns Angst machen mit deiner Frostbeule, ha ? Nix. Ein, zwei weitere Biker haben sich hierher verirrt und die wenigen Touris stören uns beim Genuss des warmen Getränk und Gebäcks nicht wirklich. Das aufziehende Wetter schon mehr. Der Nebel weicht immer dunkler werdenden Regenwolken und so disponieren wir um. Den geplanten Trail erteilen wir kurzerhand eine Absage: glitschige Wurzeln und nasses Gestein gehört jetzt nicht mehr zur Kategorie „Herausforderung “,sondern viel mehr in die Rubrik „Leichtsinn “. Wir machen uns startklar, d.h. ziehen an, was der Deuter Transalp hergibt und vermummen uns wie die Schneetreiber. Apropos Schnee. Dazu fehlt es nicht weit. Graupel sind es allemal. Noch schnell ein Erinnerungsshot und dann down to Heiligblut

Nebelsuppe auf dem G`Glockner. Bäh.

Glockner

Bis Mörtschach rollen wir gemächlich die Asphaltstrasse bergab und als die Jungs von der Tankstelle uns sagen, dass es bis Winklern auch nicht mehr so weit ist, beschließen wir auch dieses Stück noch uns treiben zu lassen. Allerdings weder Winklern noch Mörtschach sind wirklich einen großen Aufenthalt wert, ein Cappuccino ok, aber mehr ? Wir haben uns Tagesziel eigentlich schon erreicht: Großglockner stand auf dem Plan und Großglockner ist nun abgehakt. Der Regen hat im übrigen wieder nachgelassen und die Strassen beginnen trocken zu werden. Der Cappucino und dazugehörige Kuchen hat uns gestärkt, ich habe ohnehin die Glückshormone in mir und die innere Triebfeder schreit nach mehr. So gelingt es mir Caro auch noch vom nächsten kleinen Anstieg zu überzeugen: der Iselsberg und dann „nunter nach Lienz “ und heute abend etwas „Großstadt“feeling auf unserem Alpencross.

Der Iselsberg ist nicht weiter kompliziert, nur eine kleine Teerrampe mit einer wundervollen Abfahrt nach Nußdorf Debant, einem Vorort von Lienz. Die Hormone in mir grinsen befriedigt. Auf dem Downhill nach Nußdorf müssen einige Trucks feststellen, dass ein Mountainbike auf dem Weg nach unten durchaus wendiger ist, als sie selbst, wenngleich mir ein vielfaches an PS-Leistung fehlt. So kommt es wie es kommen muss: Caro und ich driften auseinander und während ich in Nußdorf Ost warte, steht sie schon irgendwo in Nußdorf West (oder umgekehrt) und das Handymobile ist die einzige Chance wieder zueinander zu finden. Irgendwie schaffen wir es schließlich anhand einiger markanter Punkte (Aldi vor Hagebaumarkt nach Jet Tankstelle) dann doch zueinander und setzten die letzten Meter eines anspruchvollen Tages in Richtung Stadtmitte gemeinsam fort. Wir nehmen schnurstracks Anlauf auf die nächstbeste Touristinfo, lassen uns den Namen einer zentralen Herberge geben, checken ein, duschen und sind schwuppdiwupp schon wieder unterwegs in die Altstadt, die wirklich eine sehr gemütliche und schöne ist. Das wohlverdiente Weißbier im Petrocelli verstärkt das stolze Gefühl, welches mich ausfüllt. Hach – ist das schön. Ist doch alles wunderbar. Was wollt ihr mehr? Essen! Ja, stimmt, später. In unseren hellblauen Jacken schlendern wir noch ein wenig auf und ab um dann sofort in die gemütlichste Pizza- und Pasteria des Platzes einzutauchen. Im Anschluss noch ein Absacker in irgendeiner namentlich nicht erfassten Bar (die ebenfalls sehr gemütlich war) und allein die Tatsache, dass ich in Damenbegleitung bin, verhindert, dass ich an diesem Abend Opfer von flirtenden Lienzerinnen werde. Das Leben kann so schön sein..

Der 4. Tag –Do 04.08.(77km, 6h:04min, 2135 Höhenmeter)

Lienz –Abfaltersbach –Sillian –Dorfberg –St.Oswald –Kartisch –Kartischer Sattel –Obertilliach – Porzehütte –Porzegipfel –Tilliacher Joch –Malga Dignes –Val Visdende –Campolongo

Unser „Hotel “ ist mehr eine bessere Jugendherberge denn ein Hotel, oder höchstens eine halbwegs normale Pension. Ein bisschen muffig und irgendwie altbacken, dass ganze, aber egal: Frühstück mit abgezählten Brötchen, zahlen, Wasser fassen und auf geht ’s. Wir tasten uns vorwärts. Die alten Damen auf der Strasse warnen uns: „poßt s auf, da san nur Wahnsinnige unterwegs, mit de Radeln.“ Irgendein Mütterchen murmelt noch etwas von „lebensgefährlichen Italienern “ „?“ Nun denn, Radler sind wir ja auch, die Spezies kennen wir immerhin. Fakt ist, der Radweg nach Abfaltersbach ist stark frequentiert, allerdings nur in eine Richtung, und das ist nicht die Richtung in die wir fahren. Wir fahren nämlich irgendwie ständig so leicht penetrant bergauf. Bis Sillian und Abfaltersbach. Und schon sind wieder 20km runtergerissen. Was soll es – ist ja schließlich ein Alpencross und kein  …… OK, das hatten wir ja auch schon mal, seinerzeit (siehe Story AlpX 2002).

Duo

Dann passiert es. Die bisherige harmlose Steigung endet, oder vielmehr der bisherige Fahrweg gemäß unseres Planes. Wir müssen abbiegen und zwar links. Über die Brücke. Und dann gleich wieder halblinks, steil bergan. Und wenn ich sage steil, dann mein ich steil. Herrje, warum macht man(n) das gleich wieder ? Wir betreten den Wald und scheinen nur im Sinn zu haben über diesen hinaus zu wachsen, was angesichts der Bäume, die uns umgeben zumindest im Augenblick ein sinnloses Unterfangen zu sein scheint.

Es beginnt das übliche Alpencross Spiel: das schraub-dich-hoch-Spiel. Die Regeln sind einfach. Man tritt in die Pedale, pedaliert, gleichmäßig, ignoriert dabei, dass die  Oberschenkel mit leichtem Protest (He, zu schwer) sich melden wollen, und tritt weiter, achtet auf die Regenrinnen, die den Weg queren, weicht den Steinen aus (wer den Fuß auf den Boden setzt hat verloren) und darf sich nicht wundern, wenn bei der nächsten Kehre,  dass Spiel noch nicht beendet ist. So geht das eine Weile. Und wisst ihr was ? Auf einmal ist  das Spiel zu Ende. Der Wald gibt auf, die Steigung macht sich flach und nach ein paar  Metern erhält man den ersten Preis: man darf wieder runter. Aber so scho. Ihr wisst das ja. Ich mag das so. Juhuuuuuuu.

Richtung runter heißt ja: Gas geben, laufen lassen, Bremsen-Check und Hormone-kommt-ihr alle raus. Sie kommen. Alle. Ungefragt. So soll es sein. Wir münden in Dorfberg. Einem Dorf auf einem Berg. Wahrhaft. Etwas verschlafen, aber schön. Und sind, so sagt es unser Plan, am Fuße des Kartischer Sattels. Jetzt geht es praktisch wieder mal bergauf. Wie weit fahren wir noch ? Das Höhenprofil, unsere ständige Entscheidungsgrundlagenallzweckwaffe, sagt, dass es noch a Stückerl ist, bis zum Einstieg Richtung Porze Hütte (die ebenfalls irgendwo da oben liegt). Jammern hilft nix, wir sind gut in der Zeit, haben eigentlich auch schon einen anständigen Vorsprung erarbeitet und dürfen überhaupt nicht jammern, so gut kommen wir voran.

analog

Es ist wieder Zeit für Teer. Also rollen wir bergan. Die Landschaft ist superschön. Hügel, Weiden, alte traditionelle Bauernhäuser, Kühe, Gipfel, alles da. Nach halbwegs akzeptabler Rollzeit ist Obertilliach endlich erreicht. Irgendwie war das jetzt auch fällig. Rücken, Po und sonst was meldet sich zu Wort und sagt „mach mal halblang“. Das Wetter ist wunderbar und der einladende Gasthof am Rande des Weges breitet seine Arme aus „Kommt doch herein “. Wir kommen, ohne das er es ein zweites Mal hätte sagen müssen. Die Karte offenbart ein besonderes Tagesgericht im Angebot (Knödel und mehr) – Special price for special friends. Ok, zweimal das ganze. Die Knödel kommen und enttäuschen uns sofort. Pampige Champions und ein ganzer Knödel als „das Gericht des Tages “ –naja, da kann schon mal meckern. Die Sonne versucht uns zu versöhnen und der  Anblick der vor uns liegenden Porzehütte (ganz weit da vorne oben) lässt uns den Groll über die doofen Knödel auch wieder vergessen. Wir rasten ausgiebig und leeren die gesamten Wasservorräte dieses exquisiten Lokals (Wellness im Angebot für 200Euro pro Nacht aufwärts).

Ok, in die Hände spucken und auf geht ’s. Jetzt nur noch hoch zur Porzehütte, die so meilenweit entfernt und doch, oder gerade deshalb, so verlockend vor uns in den Hängen liegt. Also wieder das alte Spiel. Es geht über den Wiesenweg zunächst ratzfatz runter in kleines Tal, die Freude über die Abfahrt währt nicht lang und der Wanderparkplatz und gleich anbei gelegene Abenteuerspielplatz markieren die Stelle, an der es wieder mal hoch gehen soll.  Die Hütte liegt inmitten der Berge und auch der Weg der noch folgt scheint rot eingefärbt.

Was nun gleich kommen wird ist in der Kategorie „super super spitzenklasse“ exakt richtig aufgehoben. Der Reihe nach.

Wir fahren bergan, die Schotterpiste ist schotterig, dem Wort entsprechend, aber noch passabel fahrbar, die Kehren sind fair, nie zu steil aber auch nicht wirklich lasch. Und wie aus heiterem Himmel –ungefähr auf halber Höhe –ist er da. Ein See, wie aus Aladins Märchenbuch, oder Gebrüder Grimm, wie auch immer –traumhaft einfach. Traumhaft schön.

Der Pfad führt weiter, die uns entgegenkommenden Touris aus dem Osten sind so was von liebenswert, dass wir uns fast verratschen. Er knapp 70, sie nicht jünger, wandern beide vergnügt und eloquent des Weges und haben keine Scheu vor einem Gespräch.„Ja, des is ja doll, was wir da machen“. Und überhaupt  „di jungen Leut“.

Porzer See

Fotografieren kann er auch, hat auch schon damals, aber nicht mit modernen Dingen. Lustig die zwee aus Berlin. Ein Gruss an dieser Stelle nach Wedding. Der Rest des Weges stört nicht weiter, es läuft dahin, wir sind mit uns im reinen, freuen uns auf die Hütte, die wir schon von ganz weit unten sahen und die damit verbundene ausgiebige Rast.

Was soll ich lange drum rumreden: wir sind natürlich zügig angekommen, haben zügig eingecheckt und haben uns gut bedienen  lassen. Kuchen vom feinsten, mit Sahne (eh klar), Caro irgendwie bescheidener (hat sie kein Geld, oder keinen Hunger, oder bremst die Sahne irgendwie irgendwann? man weiß es nicht so genau). Fakt ist, es geht uns prächtig.

P R Ä C H T I G.

Wahrhaftig. Die Sonne grinst uns entgegen, die Ruhe legt sanft ihren Arm um unsere Schultern, die Bergwelt lädt uns ein zur Besinnung (kommt mal runter vom Gas, du Global Sourcer und du Marketinglady). Wunderbar. Alles. In diesem Moment. Schlangenlinien Die Porze Hütte Der Moment ist aber endlich. Und die in unserem Plan vermerkte versteckte Schlüsselstelle für den kleinen Trampelpfad entpuppt sich als ganz offensichtlich gewordene Rampe nach oben. Durch diese hohle Gasse müssen wir nun kommen. Es geht hoch, durchaus markant hoch und nach einem guten Stück heißt es auch schieben. Das ist an diesem Punkt keine Schande, immerhin nähern wir uns gut der 2000er Marke. Der Fels ist markant und die ganze Szenerie, mit dem Blick zurück und all dem drum und dran, ist phantastisch. Viel phantastischer (gibt es das Wort überhaupt) aber ist als wir durch das Nadelöhr am obersten Punkt durchstechen und den Blick in Richtung Italien ausrichten. Waaaaaahnsinn ! DAS kann man nicht beschreiben, das muss man gesehen haben. So was von superschön.

Oh mein Gott. Was machen wir all die Stunden in unseren Büros?

Das ist so was von schön, das verlangt nach einem, nein, nach zwei, nein nach viel mehr Bildern: ungeschminkt, schonungslos ehrlich und einfach sowas von authentisch Ja stimmt schon. Ist gemein. Macht den Mund wässrig und hat diesen lautlosen Schrei inklusive, der da bollert: ich will auch. Und dann passiert der Supergau. Die Kamera explodiert, oder besser mein toller schöner 2 Gigabyte Chip, der mir alle Grenzen fernhalten sollte. Macht einfach keinen Muxer mehr, gibt seinen Geist auf und verweigert jede weitere Digitalisierung. Einfach nur „CF Error “. Scheiße –pardon –mir geht in diesem Moment das Herz in die Hose. Alles umsonst? Die ganzen Bilder jetzt vielleicht weg. Unwiderruflich für immer in den dunklen Kanälen des Chips verloren? Nicht auszudenken.

way up

Herrje ….Und was noch alles kommen sollte ….Ist nun nur im Kopf, aber nicht auf dem Chip. Bitter, aber wahr. Nicht ärgern –schon gar nicht über Dinge, die man nicht ändern kann. Es geht also weiter, die Kamera weiter im Gepäck, aber stautechnisch, nun ganz weit unten. Ab sofort wird das Handy als Ersatz herhalten müssen. Wir folgen dem vor uns liegenden Pfad, das schmale Trail-Band schlängelt sich gut sichtbar ins Tal hinab – rein optisch macht das schön viel her. Rein fahrtechnisch allerdings ist das ganze eine Härteprüfung für die Plomben. So gerüttelt und geschüttelt wie hier, gute Güte. Schön, dass man Fully fahren darf. Es geht „obi ins Toail“. Im unteren Drittel wird die Piste besser und wir münden unvermittelt auf einer wunderschönen Hochebene inmitten einer italienischen Ansammlung von Bauernhäusern. Weidende Pferde am Wegesrand, ein paar vereinsamte Wanderer, ein paar Höfe, saftiges Grün und ringsherum die ansteigenden Hänge der umliegende Bergwelt. Idylle könnte ein treffendes Wort für diesen Platz auf Erden sein. Der Blick zurück macht noch mal deutlich woher wir kommen: aus dem Paradies. Hach. Es geht ein gutes Stück auf der Ebene dahin und am Albergo Buono Arie macht die Strasse einen Knick nach unten und wir sausen talwärts. Entlang am Bach, rechts ragen steile Felswände hinauf und es ist schattig nasskühl. Wie der Sausewind lassen wir uns treiben, die Hormone halten ja schließlich noch vor. Nach kurzer Fahrt kreuzt die Hauptstrasse aus dem Val Visdende. Es geht rechts ab und die letzten Kilometer bis Campolongo machen wir mit links. Italien hier sind wir. Jetzt ein schöner Piazza, eine Eisdiele, am Straßenrand sitzende alte Männer, aus dem Fenster lehnende alte Frauen, junge hübsche Mädchen auf der Vespa und so weiter –so könnten wir uns das jetzt vorstellen. Wäre doch toll. Aber mitnichten.

Karnischer Sattel

Zwei Hotels am Platze. Das erste hat im Vorraum eine typische italienische Bar und die Gestalten im Innern mustern uns mürrisch.„Buona serra “. Keine Antwort. Als wir nach dem Preis fragen, wird uns ein Wert genannt, der nicht niedrig ist, als ich mich als Journalist ausweise, zuckt der Barkeeper nicht ansatzweise mit der Wimper und teilt uns mit „Gehen nebenan, vielleicht da billiger “. Also gut, wir gehen nebenan. Da billiger. Na passt doch. Ein kleiner Rundgang am Abend, und dann gemütliches Manschare –Pizza und Pasta. Wir schlafen tief und fest.

Der 5. Tag –Fr 05.08.(142km !, ca. 7h:20min, 2140 Höhenmeter)

Campolongo –Casera Razzo –Sauris –Lago di Sauris (Smaragd!)–Ampezzo –Capricci –Passo Monte Rest –Tramonti di Sopra –Meduno –Sequals –Sperimbergo –UDINE

Das Dröhnen des Baches unter unserem Fenster ist unerbittlich. Rausch, rausch, rausch,rausch. Rausch. Und er hört nicht mal für zehn Minuten auf. Keine Sekunde. Also raus aus den Federn. Theoretisch stehen wir vor den Toren von Udine. Nur noch einmal schlafen und dann ist der Alpencross 2005 erfolgreich vollzogen. Der Wirt unserer Albergo gibt sich wirklich Mühe mit dem Frühstück und versorgt uns noch mit einigen seiner Motorrad-Touren-Karten. Wir brechen auf, und es gibt eigentlich nur eine Richtung: gerade hoch. Ab Richtung Casera Razzo und dann dem Lago di Sauris. Der nun folgende Weg schlängelt sich entlang durch ein schönes Tal, das abwechselnd Teer und Schotterbelag parat hält. Es geht bergan, aber nie wirklich kritisch. Ideal zum einfahren. Vorbei an einer Art Steinbruch queren wir eine Brücke und sehen eine Ansammlung von Serpentinen die wahrhaft die Bezeichnung „Schlange “ verdient hätte. Das Handy versucht den Eindruck festzuhalten: Der Standort war etwas erhöht, der Bandwurm im Original ist um ein vielfaches eindrucksvoller. Zurückblickend nochmals ein stummer Gruß nach Campolongo und weiter führt uns der Weg in Richtung Sauris. Wir münden an einer Passstrasse, die nicht wirklich spektakuläres bietet, uns dafür aber durch Verkehrsarmut überzeugt. Nur einige wenige Fun-Crosser die durch die Friauler Berge ziehen, stören den Frieden an diesem scheinbar vergessenen Ort.

Es passiert an sich nichts weiter besonderes, solange bis wir die Abfahrt –nach kurzer Rast und Behandlung eines Bienenstichs – nach Sauris einleiten. Man nehme ein Tal, ähnlich wie eben erst erklommenes, mache eine im etwa spiegelbildliche Ansicht desselben, füge ein. Wow. Genial.

Es geht abwärts und mein neues Centurion fühlt sich sauwohl. Überhaupt, das Fahrwerk hat mir viel Freude gemacht. Irgendwie völlig unauffällig (habe ich ein Fahrwerk) aber doch wahnsinnig effektiv und unaufdringlich (keine Schaukel, keine Stöße) verrichtet es klaglos seinen Dienst und spult Kilometer ebenso leidenschaftlich ab wie auf- oder abgefahrene Höhenmeter. Und dann noch: so ein schönes Bike. Im unschuldigsten Weiß. Genug geschweift … Sauris. Nicht weiß sondern grün. So was von einem Smaragd hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen.

Ist das nicht der Wahnsinn. Der See hat aus jeder Kurve eine andere fantastische Perspektive. Nur der kleine verschlafene Ort am Seeufer scheint solche Worte wie Tourismus oder gar Besucher nicht zu kennen. Tot wäre das passende Attribut. Nun denn, Pech gehabt. Weiter im Text. Es folgt eine nicht enden wollende Abfahrt durch ein paar finstere Tunnel und kilometerlanger Downhill, der sein Ende an einer elend sich dahin ziehenden Teerstrasse findet, die nur doof ist. Da hilft kein bitten und kein betteln, das nächste Ziel Ampezzo steht auf dem Plan und bis dahin muss es gehen.

In Ampezzo tummeln sich zu dieser Zeit (es ist kurz nach Mittag) ungefähr 15.805 Rennradfahrer (oder ein paar weniger) und diese scheinen an ihrer Coolness fast zu sterben. Bloß nicht grüßen (doofe MTBler mit Rucksack), geschweige denn lächeln, die rasierten Beine angespannt lassen und die Stahlrahmen aus den teuersten Manufakturen ganz lässig üb er den Asphalt schieben.Also hier bleiben wir nicht … Carolin halt durch, unser Tourguide verspricht ein Lokal in Capricci. Dort angekommen – Capricci besteht aus einem Haus und drei Parkplätzen, die zum Haus gehören – benötigen wir 1 Minute um zu erfahren, dass es essbares hier nicht im Angebot gibt. Der Anstieg nach Capricci war zwar nicht mordend, aber nicht nur Carolin fordert langsam Nachschub für die erlahmenden Muskeln. Doch die Mama Leone (oder wer immer das war) weiß Rat: 4 Kilometer weiter sei eine Ristorante, dort könne man zu Mittag essen. Also weiter am Flusslauf entlang und schon wieder bergan. Das Ristoranteschild kommt – wie versprochen – doch von Ristorante keine Spur. Der Abzweig auf dem Weg zum Passo Monte Rest (‚immerhin liegen noch 600Hm vor uns) lässt keine eindeutigen Schlüsse auf Wegstrecke zum ominösen Ristorante zu. Was tun? 300 Höhenmeter (oder mehr, oder weniger) fahren, um festzustellen, dass ab 15h Mittagsruhe (oder nix zu essen) ist und dann weitere 600HM in Angriff zu nehmen – zu viele Unbekannte. Caro wird langsam stinkig. Hunger!

Wir entscheiden demokratisch: auf geht ’s, scheiß auf die 600Hm – wir beißen uns bis zum Passo Monte Rest durch. Ach du Scheiße. Ein Bandwurm ist erfreulicher. Keine einzige Flachpassage, nur stetes, quälendes Bergauf und das auf einer Länge von ca. 8 KM. Das ist leidig, noch dazu wenn der letzte Powerbar gut eingeteilt sein will. Ich machs kurz: es war (fast) furchtbar – geschafft haben es trotzdem. Oben angekommen, will Caro nur noch weiter in die nächste Kneipe. Doch vor das abendliche Mittagessen hat der liebe Herrgott erstmal die Abfahrt und Flachetappe bis Tramonti di Sopra gesetzt. Und auch die dauert noch eine halbe Ewigkeit. Endlich, irgendwann gegen 16h kommen wir in diesem verschlafenen Nest an, wo alle – aber fast alle – Siesta machen. Das Tankstellencafe macht uns Hoffnung, immerhin stehen Stühle einladend bereit. Doch die unfreundliche Hexe, die sich eigentlich nur als Tankwärtin berufen fühlt, gibt uns zu verstehen: die Küche ist kalt, wir können einen Kaugummi haben. Ich bestell ein Bier. Der Lebensmittelladen vis á vis öffnet seine Pforten erst um 17h. Arme Caro. Endlich 17h, die Glocken in diesem Nest läuten, ein Hund läuft über die Strasse, Caro kauft ein bröseliges Weißbrot und Schinken in eingeschweißter Folie.

Immerhin. Was nun tun? Das Flachland fängt nun an. Kein Buckel mehr, der jetzt im Wege steht. Sondern nur noch ellenlange Kilometer bis zum Endziel. Aber in welchem dieser Einöden lohnt sich die Unterbrechung für eine Nacht. Wer weiß, vielleicht sind die Bürgersteige überall permanent-hochgeklappt. Man weiß es ja nicht. Willkommen in bella Italia. Nix Lago di Garda Rummel. Also – leicht gestärkt – beschließen wir der ganz leicht abschüssigen Strasse erst einmal zu folgen und setzen unseren Weg fort. Meter um Meter. 1730h –1800h, Meduno, Sequals, 1830h –irgendwann flutscht das alles so irre –das man meinen könnte, wir seien eben erst aufs Rad gestiegen. Der Magnet Udine zieht an uns. Wir fahren einen satten 31er Schnitt und die Windschattenarbeit macht Spaß. Trinken, trinken, treten, treten. 19h Spelimbergo, nur noch 28 Kilometer. Scheiß drauf –wer will schon in Spelimbergo schlafen. Kein Schwein. 19.10h, nur noch 26 Kilometer, noch 25, noch 24, noch 27 (scheiß italienische Schilder – welche stimmen denn nun???)…..meine Güte, die Beine werden schwer, das Sitzfleisch meldet sich, immerhin werden wir – wenn wir jemals ankommen – am Ende des Tages 142,1 Kilometer auf dem Tageskilometerzähler stehen haben und – der Ordnung und Vollständigkeit halber – 2.140 Höhenmeter. Das ist doch schon mal nicht ganz so schlecht, für Amateure.1930h,1945h,1957h ….die Stadtgrenzen von Udine sind erreicht . Na, also, geht doch. Das Feeling kommt wieder, jenes unbeschreibliche, das sich auch jetzt beim Schreiben unter die Haut schummelt und die Häarchen zum stehen bringt, jenes unbeschreiblich schöne „es geschafft zu haben“ – wieder einmal, schon wieder. HAHA. JA.

Es ist so geil. Die Autos um uns herum sind da, aber doch soweit weg, wir fahren Richtung Centro und meine Gedanken sind beim krönenden JAPAJAPADUUU, dass ich irgendwann innerlich oder auch so ausstoßen werde, wenn ich auf dem Piazza-irgendwas sitze und mein breites Grinsen auffordere herauszukommen.

Wir sind inmitten von Udine und auch die Suche nach dem Hotel fällt nicht allzu schwer. Man nehme ein ganz nobles, marschiere da rein, schön verschwitzt, triefend, Rucksack, dreckig mit allem drum und dran und erzählt dann davon, dass man was günstiges sucht. Da wird einem schon geholfen. Ein paar Straßen weiter nehmen wir im Tochterhotel vom großen Grandhotel ein nettes (nicht allergünstigstes) Zimmer in Beschlag, versperren die Bikes in der Garage, duschen ausgiebig, grinsen permanent und machen uns nun auf den Weg zur ersten richtigen Mahlzeit des Tages.

Die Altstadt von Udine ist ein Traum, 1000 Menschen, aller Schattierungen, eine Pizzeria, die uns wirklich üppig und opulent verwöhnt, der anschließende Bummel durch die Gassen und der Ausklang mit Bier und Cocktail am großen Piazza, wo alle, aber wirklich aller Udineser rumstehen und sich im warmen Sommer gegenseitig beobachten, tragen zu einem riesigen Wohlgefühl bei, das man eh nicht beschreiben kann, sondern einfach erlebt haben muss, um es wirklich nachvollziehen zu können. So sche, aber so sche scho. Ein geiles Leben, ein schönes Leben, ein toller Alpencross. Ach ist das schön. Wir leben !! SMS mit stolz geschwellter Brust gehen über den Äther und alles ist herrlich. Das Gelato, die Atmosphäre, einfach alles. Alpencross 2005 –ich bin stolz auf mich. Der Wahnsinn schlechthin.

satisfied

Der 6. Tag –Sa 06.08. (5km !, ca.:20min, 10 Höhenmeter)

Day off –private Day. Cappucino, nochmal Gelato, schlendern, schreiben, simsen, guggen (so viele schöne Frauen), Cappucino, ein Bier, schlendern, guggen, schauen, simsen, schlendern, Cappucino, genießen.

So ähnlich war es.

Die Rückfahrt ist organisiert, wenngleich die Verkehrsverhältnisse noch nicht eindeutig sind und Fred um 13h immer noch auf Bründling sitzt. Aber tatsächlich gegen 18h ist er dankenswerterweise an der vereinbarten Autobahnausfahrt und um 22h ist der Alpencross 2005 Geschichte. An dieser Stelle ausdrücklich ein Dankeschön an Fred, der mir nichts dir nichts rund 800km auf sich nimmt, nur um einmal Udine und zurück zu machen –obwohl man ja vielleicht auch besseres vorhaben könnte. Danke.

Fazit:

Schön wars. Nur schön. Nicht besonders super anspruchsvoll, was die Höhenmeterleistung in Summe anbelangt. Aber neue Wege und die Eindrücke sind gewonnen, eine schöne Zeit liegt hinter uns und niemand kann einem die Zieleinfahrt mehr wegnehmen. Abermals eine sehr schöne, sehr reibungslose Alpenüberquerung mit landschaftlich wahrhaften Highlights, die sich unausrottbar in der Seele einbrennen. Einmal Alpencross – öfter Alpencross.

Das bittere an dieser Statistik ist die Tatsache, dass die 10.000er Marke um exakt 375 unterschritten wurde –hätten wir doch nur am ersten Tag das Röthelmoos mit ins Programm genommen – wir eitle, geltungsbewusste Schnarchnasen.

© Udokah